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© Privat

Griechenland: Landschaftspflege nach Siemens-Art

Noch sitzt der griechische EX-Chef von Siemens Hellas in einem deutschen Gefängnis. Das könnte nach Ansicht vieler griechischer Politiker auch so bleiben - denn sie fürchten Enthüllungen in der Schmiergeldaffäre.

Kommt er – oder kommt er nicht? Und wenn er kommt: Wird er plaudern? Viele in Athen stellen sich jetzt diese bangen Fragen.

Es geht um Michalis Christoforakos, Ex-Chef von Siemens Hellas. Der Deutsch-Grieche sitzt seit Juni in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Griechenland hat seine Auslieferung beantragt. Laut Medienberichten ist die Entscheidung, dass er nach Athen überstellt wird, bereits gefallen. Aber viele griechische Politiker hatten gehofft, Christoforakos würde möglichst lange in Deutschland bleiben. Denn wenn er in Griechenland vor Gericht gestellt wird und zu reden beginnt, könnte es ein politisches Erdbeben geben.

Mitte Mai hatte sich der 56-jährige Christoforakos nach München abgesetzt – wenige Tage, bevor er als Beschuldigter vor dem Ermittlungsrichter Nikos Zagorianos zur griechischen Siemens-Affäre aussagen sollte. Es geht um mutmaßliche schwarze Kassen bei der griechischen Siemens-Landesgesellschaft, um merkwürdige Millionenüberweisungen, um Briefkastenfirmen und prall gefüllte Geldkoffer. Zagorianos geht dem Vorwurf nach, dass Siemens in Griechenland über mehr als ein Jahrzehnt hinweg systematisch Politiker, Beamte und Manager von Staatsunternehmen bestochen hat, um lukrative Aufträge an Land zu ziehen.

Siemens hatte sich bereits Ende 2007, als die Schmiergeldvorwürfe aufkamen, fristlos von Christoforakos getrennt – ohne Abfindung und ohne Angabe von Gründen. In Griechenland könnte Christoforakos eine lebenslange Haftstrafe drohen, wenn ihm nachgewiesen wird, dass er staatliche Amtsträger bestochen hat. Das leugnet der frühere Athener Siemens-Chef. Bei den Vernehmungen in München räumte er aber ein, jahrelang Zuwendungen an die beiden großen politischen Parteien geleistet zu haben. „Politische Landschaftspflege“ nennt Christoforakos das Spendensystem, für das er zwei Prozent des Jahresumsatzes bei Siemens Hellas abzweigte. Mit der Vergabe von Staatsaufträgen hätten die Zahlungen aber nichts zu tun gehabt, versichert Christoforakos.

Nach griechischem Recht sind solche Spenden allerdings illegal. Der frühere sozialistische Spitzenpolitiker Theodoros Tsoukatos, ein enger Vertrauter von Ex-Premier Kostas Simitis, räumte inzwischen ein, 1999 von Christoforakos eine Million Mark für die Parteikasse erhalten zu haben. Das Geld sei über eine Offshore-Firma und das Konto eines Freundes geflossen, um die Zahlung zu verschleiern. Offiziell dementieren sowohl die heute oppositionellen Sozialisten wie auch die regierenden Konservativen, Siemens-Gelder erhalten zu haben. Wenn Christoforakos aber auspackt, Namen und Beträge nennt, könnte der konservative Ministerpräsident Kostas Karamanlis ebenso in Erklärungsnot geraten wie der sozialistische Oppositionschef Giorgos Papandreou.

Von der Münchner Justiz hat Christoforakos wegen der Parteispenden inzwischen einen Strafbefehl erhalten: zwölf Monate Haft auf Bewährung und 750 000 Euro Geldstrafe. Der Ex-Manager könnte deshalb selbst im Fall seiner Auslieferung wegen dieser Vorwürfe in seiner Heimat nicht noch einmal vor Gericht gestellt werden. Andererseits drohen Christoforakos nun millionenschwere Schadenersatzforderungen seines früheren Arbeitgebers. Die Anwälte des Ex-Siemens-Managers wollten deshalb gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen. Das hat aber offensichtlich die Auslieferung ihres Mandanten nicht verzögern können – zum Leidwesen von Christoforakos wie auch einer Reihe von Athener Politikern.

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