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Ankunft in Brüssel. Der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias.

© dpa

Griechenland und die EU: Pflöcke einschlagen – und verhandeln

Die EU-Außenminister haben in Brüssel über eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen Russland diskutiert. Dabei war erstmals auch der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias dabei, dessen Regierung den Strafmaßnahmen skeptisch gegenübersteht. Sind die Griechen verhandlungsbereit?

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Drei Tage lang hatten die Lautsprecher die griechische Innenpolitik beherrscht. Nach der dröhnenden Ankündigung des neuen griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras, die Privatisierung des Hafens von Piräus zu stoppen, und dem Protest der Griechen gegen eine Drohung der Staats- und Regierungschefs der EU an die Adresse Russlands war am Donnerstag der Tag der Wahrheit. Da nahm erstmals der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias im Kreis seiner Amtskollegen in Brüssel Platz. Mit Spannung wurde dabei Kotzias’ Beitrag zur Diskussion über eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau nach dem tödlichen Beschuss eines Wohngebietes in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol erwartet.

Torpediert Griechenland die gemeinsame europäische Linie gegenüber Russland in der Ukraine-Krise? Diese Frage stellt sich, seit sich Tsipras von einer Erklärung seiner europäischen Amtskollegen distanziert hatte, der zufolge die EU wegen des Beschusses in Mariupol eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen Russland erwäge.

Vor dem EU-Außenministertreffen in Brüssel blieb allerdings offen, ob Athen sich schlicht beim Zustandekommen der Erklärung übergangen fühlte oder ob Tsipras dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine-Krise sehr viel weiter entgegenkommen will als alle anderen Staats- und Regierungschefs in der Gemeinschaft. Immerhin deutete Kotzias an, dass er durchaus auch in der Sache einen Dissens zwischen Griechenland und den übrigen 27 EU-Staaten in der Russland-Politik sieht. Moskau sei von den EU-Staaten mit unannehmbaren, vollendeten Tatsachen konfrontiert worden, hieß es in einer schriftlichen Erklärung des neuen Athener Chefdiplomaten.

Wenn sich Griechenlands neuer Außenminister in der Ukraine-Krise nun auf die Seite Moskaus schlagen würde, so dürfte das zumindest angesichts seiner Biografie nicht überraschend sein. Wie viele andere oppositionelle Griechen auch engagierte sich Kotzias in Zeiten der Militärdiktatur bei den Kommunisten. Aber auch in seiner späteren Karriere als Politikprofessor pflegte er enge Kontakte zu Russland. Zudem gäbe es auch aus ökonomischer Sicht Gründe für die neue Regierung, möglicherweise eine Lockerung der Sanktionen zu befürworten: Als enger Wirtschaftspartner Russlands ist Griechenland besonders von den negativen Auswirkungen der Russland-Sanktionen betroffen.

Déjà-vu auf europäischer Ebene

Die neuen Töne aus Athen rufen ein europäisches Déjà-vu hervor: Vor zwei Jahren unternahm der damalige zyprische Finanzminister Michalis Sarris einen erfolglosen Bittgang nach Moskau. Ähnlich wie derzeit Griechenland befand sich Zypern im März 2013 in einer finanziellen Notlage. Nachdem das zyprische Parlament die Bedingungen für ein Zehn-Milliarden-Euro-Rettungspaket der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zunächst abgelehnt hatte, wurde Sarris in Moskau vorstellig, um einen neuen russischen Staatskredit in Höhe von fünf Milliarden Euro auszuhandeln. Doch die Moskauer Gesprächspartner ließen Sarris damals abblitzen. Anschließend musste das Parlament in Nikosia dann doch einem – teils modifizierten – Rettungsplan der Euro-Finanzminister zustimmen, der unter anderem eine Sanierung des aufgeblähten zyprischen Bankensektors vorsah.

In Berlin machten Außenpolitiker von Union und SPD klar, dass sich die große Koalition und die EU griechischem Druck in Richtung einer neuen Politik gegenüber Russland nicht beugen dürften. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sagte dem Tagesspiegel, der neuen Regierung in Athen müsse „klar gesagt werden, dass ein Aufbrechen der gemeinsamen europäischen Position nicht zu einer russlandfreundlicheren Haltung der EU führen wird.“ Athen müsse einsehen, dass eine gemeinsame europäische Politik „auch im Interesse Griechenlands“ sei.

Formal hat Griechenland die Möglichkeit, durch ein Veto die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland zu verhindern, da im Bereich der Außenpolitik Einstimmigkeit nötig ist. Die bisherige Einigkeit der EU im Konflikt mit Russland bedeutet nach Ansicht der Bundesregierung einen wichtigen strategischen Erfolg im Ringen mit Moskau um die Ukraine. Mehrfach hatte Putin versucht, die EU-Partner gegeneinander auszuspielen.

Röttgen wittert Erpressungsversuch

Die EU müsse jedem Versuch entschieden entgegentreten, Europa in der Russland-Politik zu erpressen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. „Jeder Versuch, einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Politikbereichen herzustellen, muss im Ansatz unterbunden werden“, meinte Röttgen. Damit bezog sich der CDU-Politiker auf Überlegungen, wonach die neue Regierung in Athen ihre Blockade neuer Sanktionen oder der Verlängerung von Sanktionen gegen Russland nur gegen finanzielle Zugeständnisse der internationalen Partner aufgeben wolle.

Es ist in der Tat gut möglich, dass das Muskelspiel der griechischen Regierung in der Sanktionsfrage in erster Linie dazu dient, zusätzlichen Spielraum in jener Frage zu bekommen, die für Griechenland eigentlich Vorrang hat – nämlich die Neuverhandlungen mit den internationalen Kreditgebern.

Immerhin muss sich die EU wohl nicht auf eine Konfrontation mit Athen im großen Stil gefasst machen. Nach einem Treffen mit Tsipras erklärte der Chef des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), in Athen, die neue Regierung beabsichtige keine einseitigen Schritte bei der Überwindung der Schuldenkrise. Nach seinen Worten war das Gespräch mit Tsipras lang – und manchmal auch anstrengend.

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