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Athener Wirren. Die griechische Flagge, Athena (links) und Apollo durch die Oberleitungsdrähte einer Tram in der griechischen Hauptstadt gesehen.

© Angelos Tzortzinis/AFP

Griechenland und die Rettung des Euro: Besser ist ein klarer Schnitt

Es gab einen Masterplan, wie Griechenland seine finanzielle Eigenständigkeit hätte zurückgewinnen können - auf die europäische Solidarität war Verlass. Aber vergleichbares Bemühen in Athen blieb aus. Nun die Rechnung anderen zu präsentieren, ist unredlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wenn es einen Weg gibt, wie Griechenland in der Euro-Zone bleiben und seine finanzpolitische Souveränität zurückgewinnen kann, dann sollen die Europäer ihn mit den Griechen gehen. Dann kommt es nicht darauf an, ob diese Lösung noch einmal hundert Milliarden Euro mehr kostet, obwohl das eine gewaltige Summe ist. Die sollte uns die europäische Einheit und Solidarität wert sein.

Aber diesen Weg werden die Griechen nicht gehen, das ist nach fünf Jahren intensiven Ringens um ihre Schuldenkrise offensichtlich. Die entscheidende Schwachstelle ist dabei die Politik – sowohl in Griechenland als auch in den anderen Euro-Partnerstaaten. Es fehlt an der Entschlossenheit, das als richtig und unumgänglich Erkannte zu tun. So wird der jüngste Showdown abermals mit einem faulen Kompromiss enden: frisches Geld der Euro-Partner gegen griechische Reformversprechen. Dabei wissen die Beteiligten, dass auch die nicht eingehalten werden. Es besteht keine Aussicht, das strategische Ziel zu erreichen, mit dem diese Verrenkungen begründet werden. Das Ziel, dass Griechenland bis 2020 seine Einnahmen und Ausgaben in die Balance bringt, sich selbst finanzieren kann und nicht mehr darauf angewiesen ist, vom Geld der Partner zu leben.

Rein rechnerisch und technokratisch betrachtet hatte es diesen Weg gegeben. Es gab einen Masterplan, wie Athen im Zusammenspiel von Hilfspaketen, Schuldenschnitt und Reformen die Eigenständigkeit zurückgewinnt. Im April 2010 hatte Griechenland offenbart, dass es vor dem Staatsbankrott stehe, und bei seinen Partnern Finanzhilfen beantragt. Die flossen rasch, auf die Solidarität war Verlass. Dabei half auch der frische Schock über die Weltfinanzkrise. Die Euro-Staaten wollten die Kontrolle über die Dynamik nicht erneut verlieren. Der zentrale Antrieb aber war Hilfe zur Selbsthilfe. 2012 wurde die Hälfte der Schulden erlassen. Die Euro-Partner erfüllten ihren Teil der Absprache. Und mehr als das: Sie kamen Athen weiter entgegen, als es der Rechtsrahmen der Währungsunion vorsieht.

Ein vergleichbares Bemühen in Athen blieb aus. Die wechselnden Regierungen taten wenig für die strukturellen Reformen, die nötig wären, um Einnahmen und Ausgaben des Staats mit der Zeit anzugleichen – und noch weniger, um die griechischen Bürger vom Sinn zu überzeugen. Anfangs bemühten sie sich noch, den Anschein der Vertragstreue zu wahren. Das Kabinett Tsipras hält nicht einmal mehr das für nötig. Es verlangt die Finanzierung des griechischen Defizits ohne Aussicht auf Konsolidierung.

Wenn es nach Redlichkeit, Wirtschaftslogik und Recht geht, ist dies der Moment, einen klaren Schnitt zu machen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. So sieht es offenbar der IWF. So sehen es einige Euro-Staaten, ganz voran die in Ostmitteleuropa, deren Bürger sozial schlechter dran sind als die Griechen. Aber niemand möchte sich exponieren. Alle suchen Orientierung bei der Kanzlerin. Auch sie zögert. Wer möchte die historische Verantwortung dafür tragen, dass erstmals ein Land aus der Euro-Zone ausscheidet – und dazu das Risiko eines Börsenbebens?

Es ist das gute Recht der griechischen Bürger und der von ihnen gewählten Regierung, selbst über ihre Zukunft zu bestimmen – dann aber auch die Folgen zu tragen. Das Recht, anderen die Rechnung dafür zu präsentieren, gehört nicht dazu.

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