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Antonis Samaras weiß, dass gegen den Willen von Angela Merkel in Europa nichts geht.

© Reuters

Griechenlands Premier Samaras kommt nach Berlin: Der wendige Merkelist

Seit dem letzten Besuch von Antonis Samaras in Berlin sind zehn Monate vergangen - eine stürmische Zeit für den griechischen Premier. Heute will er Bundeskanzlerin Angela Merkel erläutern, dass weitere Sparprogramme in seinem Land nicht durchsetzbar sind.

Für viele Griechen ist Angela Merkel ein rotes Tuch. Sie sehen in der deutschen Kanzlerin die treibende Kraft hinter dem „Spardiktat“, das ihrem Land die längste Rezession der Nachkriegsgeschichte, eine beispiellose Massenarbeitslosigkeit und zahllose menschliche Tragödien beschert hat. Dennoch sucht der Athener Premier Antonis Samaras den Schulterschluss mit der Kanzlerin. Am heutigen Dienstag kommt Samaras ins Kanzleramt. Der radikal-linke griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras wird ihn dafür einmal mehr als „Merkelisten“ verhöhnen, der sich seine politischen Direktiven in Berlin hole. Samaras nimmt solche Attacken gelassen. Er weiß: Gegen Merkel läuft nichts in Europa.

Fast auf den Tag genau zehn Monate liegt der letzte Samaras-Besuch in Berlin zurück. Für die schnelllebigen politischen Verhältnisse des Krisenlandes Griechenland ist das eine Zeitspanne, in der viel passieren kann. Inzwischen hat Samaras trotz knapper Mehrheit mehrere kritische Kampfabstimmungen im Parlament überstanden und, wenn auch mit Blessuren, die Europawahl hinter sich gebracht. Die Wirtschaft erholt sich. Nach sechs Jahren Rezession erwartet das Land in diesem Quartal die Rückkehr zum Wachstum.

Es gibt aber auch negative Konstanten. Während Samaras’ letztem Berlin-Besuch steckte die Athener Regierung in schwierigen Troika-Verhandlungen. Kommende Woche werden die Inspekteure der internationalen Kreditgeber erneut in Athen erwartet. Damals ging es um Entlassungen im Staatsdienst, die faulen Kredite der Banken und Finanzlücken im Haushalt – Themen, die auch jetzt wieder auf der Tagesordnung stehen. Und: Wieder ist ungewiss, wie lange Samaras als Regierungschef durchhalten kann.

Das hängt auch davon ab, ob die Kanzlerin ihm den Rücken stärkt. Samaras wird Merkel erläutern, dass weitere Spar-Einschnitte in Griechenland politisch nicht durchsetzbar sind. Das Land liegt ökonomisch und sozial am Boden: Im Lauf der Krise hat es ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt, die privaten Haushalte verloren im Schnitt mehr als ein Drittel ihrer Kaufkraft. Samaras wünscht sich Merkels Rückendeckung vor allem bei den bevorstehenden Verhandlungen über Schuldenerleichterungen. Dabei geht es um längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen für die bereits ausgezahlten Hilfskredite.

Ein drittes Hilfspaket braucht Griechenland nach Einschätzung der Regierung nicht. Außerdem erwägt Finanzminister Gikas Hardouvelis, die noch ausstehenden Kreditraten des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht in Anspruch zu nehmen, sondern sich das benötigte Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Tatsächlich kann sich Griechenland bereits jetzt am Markt zu günstigeren Konditionen refinanzieren, als sie der IWF bietet. Eine Schuldenregelung und der vorzeitige Ausstieg aus dem IWF-Programm wären wichtige Signale, dass Griechenland die Ära der Troika-Aufsicht hinter sich lässt – ein innenpolitischer Trumpf für Samaras.

Doch die EU-Partner fürchten, dass dann der Reformeifer in Athen nachlassen könnte. Sie möchten die Schuldenverhandlungen hinauszögern. Dahinter stehen auch Sorgen über die politische Entwicklung in Griechenland. In jüngsten Meinungsumfragen führt die radikal- linke Oppositionspartei Syriza mit bis zu sechs Prozentpunkten Vorsprung. Sie plant Verstaatlichungen und milliardenschwere Ausgabenprogramme, will zugleich den größten Teil der Staatsschulden „streichen“. Die Legislaturperiode läuft regulär zwar noch bis Mitte 2016, doch muss das Parlament im Februar einen neuen Staatspräsidenten wählen. Erreicht kein Kandidat die erforderliche Dreifünftelmehrheit, werden Neuwahlen fällig – die zu einem Sieg der radikalen Linken führen könnten. Die EU will daher die Schuldenverhandlungen lieber zurückstellen, bis Samaras die Klippe der Präsidentenwahl umschifft hat.

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