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© Reuters

Großbritannien: David Cameron: Mit breiter Brust

In Großbritannien hat Oppositionschef David Cameron den Wahlkampf eröffnet – er ist der Favorit.

Mit einem aggressiven Schlagabtausch um die Glaubwürdigkeit in wirtschaftlichen Fragen hat in Großbritannien am Montag der Wahlkampf begonnen – obwohl es bis zur Unterhauswahl möglicherweise noch fünf Monate sind. Die Konservativen ließen 1000 zwölf Meter breite Poster im Land aufhängen und jagten der Labour-Partei damit einen Schrecken ein: Während die Kassen der Tories prall gefüllt sind, steht Labour am Rande des finanziellen Bankrotts.

„So können wir nicht weitermachen“, steht auf dem Plakat neben dem Großporträt von Parteichef David Cameron mit entschlossen verkniffenem Mund. Danach folgt die Botschaft zu den wichtigsten Wahlkampfthemen, nämlich dem Haushaltsdefizit und dem staatlichen Gesundheitsdienst NHS: „Ich kürze das Defizit, nicht den NHS“.

Noch bevor Cameron erste Einblicke in sein Wahlprogramm gab, startete die Labour-Partei den Gegenangriff. Schatzkanzler Alistair Darling veröffentlichte ein 148 Seiten starkes Dokument, das in den Ausgabenversprechen der Tories eine „Glaubwürdigkeitslücke“ in Höhe von 34 Milliarden Pfund errechnet. Auf einer Pressekonferenz warf Darling den Tories eine Politik des „Augenzwinkerns“ vor: Niemand wisse, welche Versprechen gälten und welche nicht.

„Das Dokument ist von vorne bis hinten Schrott“, konterte Cameron. Und vor dem Labour-Hauptquartier waren kostümierte Tories zu sehen, die Masken mit den Konterfei des Premierministers Gordon Brown trugen. Sie hielten Plakate hoch, auf denen „Mr. 17 Prozent“ stand – eine Anspielung auf die Haushaltskürzungen, die nach der Ansicht von Finanzexperten von der Labour-Partei geplant sind, aber verschwiegen werden.

Als es am vergangenen Sonntag in einem Interview der BBC um das Haushaltsdefizit in Höhe von 180 Milliarden Pfund ging, druckste Brown wieder einmal herum – und versprach sogar mehr Ausgaben. Der liberaldemokratische Haushaltsfachmann Vince Cable nannte ihn daraufhin einen „Fantasten“.

Cameron und die Tories liegen in den Meinungsumfragen vorn, haben aber an Boden verloren. Deshalb will Cameron seinen Vorsprung mit dem Frühstart in den Wahlkampf zementieren und sich als kommender Premierminister inszenieren. Die Tories präsentiert er als hart kalkulierende, ehrliche Haushälter. Nach Jahren der Ausgabenexzesse unter Labour müsse das Land wieder im Rahmen seiner Verhältnisse leben.

Doch diese Härte verbindet der „progressive Konservatismus“ mit Ideen von sozialer Fairness, die weit von Margaret Thatchers rigorosem Individualismus wegführen. Cameron will Großbritannien „fairer, sicherer und grüner“ machen und die Chancengleichheit herstellen, die Labour versprach.

Am Montag versprach Cameron, den ärmsten Gebieten bei den Gesundheitsausgaben Vorrang zu geben. Unter Labour sei die Ungleichheit im Gesundheitswesen so groß wie „zu Zeiten Königin Viktorias“, behauptete er. Bei der Säuglingssterblichkeit seien die Unterschiede zwischen den reichsten und den ärmsten Haushalten unter Labour gewachsen. Da soll ein „Geburtshilfe-Netzwerk“ Abhilfe schaffen.

„Von der großen Regierung zur großen Gesellschaft“ – so lautet Camerons Motto. Staatliche Initiativen sollen vor allem dem Ziel dienen, die Gesellschaft zu stärken und Machtstrukturen transparenter zu machen. Macht soll von den Amtsstuben an „den Mann und die Frau auf der Straße“, Kommunen und freiwillige Organisationen zurückgeben werden.

Vieles klingt vage. Cameron wird aber Gelegenheit haben, seine Ideen zu konkretisieren. Zum ersten Mal wird es in einem britischen Wahlkampf eine „Elefantenrunde“ geben – gleich drei TV-Debatten der drei Parteiführer Gordon Brown, David Cameron und Nick Clegg von den Liberaldemokraten in drei Sendern. David Cameron, der telegenere, geschicktere Debattenredner, hatte Brown zu diesen Debatten herausgefordert. Amtsinhaber Brown ging darauf ein, weil er als „Underdog“ nichts, Spitzenreiter Cameron aber alles zu verlieren hat.

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