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Großbritannien: Terroralarm bei Papstbesuch - Benedikt bleibt gelassen

Die Polizei nimmt in London sechs Terrorverdächtige fest und sucht nach Sprengstoff. Der Papst lässt sich nicht einschüchtern - und setzt seinen Großbritannien-Besuch wie geplant fort.

Unbeeindruckt von einem Terroralarm in London hat Papst Benedikt XVI. am Freitag das Programm seines Staatsbesuchs in Großbritannien absolviert. Im Morgengrauen nahm eine Spezialeinheit fünf Straßenkehrer unter Terrorverdacht beim Schichtwechsel fest. Am Abend folgte eine sechste Festnahme. Die Pläne der mutmaßlichen Islamisten standen offensichtlich im Zusammenhang mit dem Besuch des 83-jährigen Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche in London.

Die Festgenommenen werden verdächtigt, Terroranschläge geplant zu haben. Waffen oder Sprengstoff fand die Polizei aber nicht.

Als der deutsche Papst gerade auf dem Weg zu dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury war, verhörte Scotland Yard die Verdächtigen, die alle im Viertel von Westminster arbeiten. Die Männer im Alter zwischen 26 und 50 Jahren kommen aus Nordafrika, einige aus Algerien, bestätigte die Londoner Polizei. Ob ein Attentat konkret gegen den Papst gerichtet gewesen wäre, war zunächst nicht klar. Bei den Festnahmen fiel kein Schuss. Die Polizei untersuchte vorsichtshalber die Wegstrecke des Papstes in London nach verdächtigen Gegenständen.

Benedikt hatte sich zu Beginn des zweiten Tages seines Besuchs in Großbritannien für einen gelebten und offenen Dialog der Religionen in gegenseitigem Respekt eingesetzt. "Die Katholiken in Großbritannien und auf der ganzen Welt werden sich weiter dafür einsetzen, Brücken der Freundschaft zu anderen Religionen zu bauen sowie Fehler und Wunden der Vergangenheit zu heilen", sagte Benedikt am Freitag in London vor führenden Vertretern anderer Religionen.

"Sobald ein solcher Respekt und eine solche Offenheit bestehen, werden die Menschen aller Religionen gemeinsam wirksam für den Frieden und das gegenseitige Verständnis arbeiten und so vor der Welt ein erstrebenswertes Zeugnis geben", fügte das Kirchenoberhaupt an.

Der Papst war unterrichtet, aber nicht beunruhigt, teilte der Vatikan mit. "Wir haben volles Vertrauen in die Polizei, es ist nicht notwendig das Programm zu verändern", erklärte Sprecher Federico Lombardi. "Der Papst ist glücklich über diese Reise und gelassen." Die Lage erscheine nicht besonders gefährlich. Weit gravierender sei es 1997 bei einem Attentatsversuch auf Johannes Paul II. in Sarajevo gewesen. Damals wurden Anti-Panzer-Minen unter einer Brücke gefunden.

Jubel und Parolen

Benedikt sprach später vor geladenen Gästen aus Politik und Gesellschaft, darunter mehrere ehemalige Premierminister. Margaret Thatcher, John Major sowie Tony Blair und Gordon Brown hatten alle eine Einladung des Vatikans angenommen, in die Westminster Hall zu kommen. Tausende Briten begrüßten und bejubelten Benedikt, einige machten am Straßenrand mit "Schande!"-Parolen ihrer Kritik am Vatikan vor allem wegen des Missbrauchsskandals Luft.

In seinen langen Ausführungen vor etwa 2000 Zuhörern hob Benedikt den Glauben als Partner einer an Vernunft orientierten Gesellschaft hervor und bekräftige seine Forderung nach einem ethischen Handeln in Politik und Wirtschaft auch im Kampf gegen Hunger und Armut. "Die Religion ist, für die Gesetzgeber nicht ein Problem, das gelöst werden muss, sondern ein äußerst wichtiger Gesprächspartner im nationalen Diskurs."

Besorgt sei er darüber, "dass die Religion und besonders das Christentum in einigen Bereichen zunehmend an den Rand gedrängt werden, auch in Ländern, die großen Wert auf Toleranz legen." Manche sprächen sich dafür aus, die Stimme der Religion zum Schweigen zu bringen oder wenigstens ganz auf die Privatsphäre zu beschränken, sagte er mit Blick auf atheistische Strömungen im Land.

Benedikt war am Morgen zunächst erneut auf das Problem des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche zurückgekommen. Bei einem Treffen mit katholischen Lehrern und Ordensleuten sprach er die Aufgabe an, "dafür zu sorgen, dass unsere Schulen eine sichere Umgebung für unsere Kinder und Jugendlichen bieten". Denn die Verantwortung gegenüber denen, die den Schulen für eine christliche Erziehung anvertraut worden seien, verlange nichts weniger als das.

Zusammenarbeit der Kirchen wichtig für Frieden und Harmonie

Im Gespräch mit dem Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, wollte er nicht über die Schwierigkeiten sprechen, "die sich auf dem ökumenischen Weg in der Vergangenheit ergeben haben und sich weiter ergeben werden". Joseph Ratzinger betonte wie auch Williams vielmehr, wie wichtig die Zusammenarbeit der Kirchen für Frieden und Harmonie sei. Williams deutete an, die Hindernisse zwischen beiden Kirchen könnten vermutlich nicht rasch aus dem Weg geräumt werden.

Der Papst setzte sich in London für die Freiheit ein, überall seine Religion ausüben und öffentliche Gottesdienste feiern zu können. Es gehe um die Freiheit, "dem eigenen Gewissen zu gehorchen, ohne deswegen ausgegrenzt oder verfolgt zu werden". Das müsse auch bei einem Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft gelten.

Der anglikanischen Kirche von England gehört die Mehrheit der Christen in Großbritannien an. Die Katholiken stellen eine kleinere Minderheit. Die Anglikaner hatten sich im 16. Jahrhundert unter König Heinrich VIII. von Rom losgesagt. Zuletzt hatte der Heilige Stuhl für den Übertritt von Anglikanern zum katholischen Bekenntnis geworben. Tony Blair war bereits im Jahr 2007 zum Katholizismus übergetreten.

Ein gemeinsames Abendgebet mit dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury in Westminister Abbey beendete den zweiten Besuchstag des Papstes in Großbritannien. "Ich komme als Pilger aus Rom, um am Grab des heiligen Eduard des Bekenners zu beten und mit Ihnen um das Geschenk der Einheit der Christen zu bitten", sagte Benedikt. (AFP/dpa)

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