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Erste Ausfahrt Washington. Außenminister Hague setzt wieder auf die „besondere Beziehung“ zu den USA, die unter Gordon Brown gelitten hatte.

© dpa

Großbritannien: Weder Pudel noch Europäer

Der britische Außenminister Hague sucht Washingtons Nähe – ohne Konfrontation mit der EU.

Die Führer der neuen britischen Koalitionsregierung machten sich gestern auf Reisen. Premier David Cameron flog nach Schottland, um die Beziehungen zur dortigen Nationalistenregierung zu erwärmen, die der Tory-geführten Londoner Regierung mit frostiger Skepsis entgegensieht. Außenminister William Hague hatte die leichtere Aufgabe: Er flog zum Antrittsbesuch zu seiner Amtskollegin Hillary Clinton nach Washington. Nicht nach Berlin oder Paris – ein klares Zeichen, wie die neue Regierung die Sache sieht.

„Unsere Beziehungen mit allen Ländern der Europäischen Union sind von riesiger Bedeutung für uns“, sagte der europaskeptische Außenminister Hague in seiner ersten Stellungnahme und gab damit, vielleicht unbewusst, ein Motto aus: Mehr Europa, weniger EU.

Was werden die liberaldemokratischen Koalitionspartner sagen? Während die Tories eiserne Atlantiker und skeptische Europäer sind, ist es bei deren Parteichef Nick Clegg andersherum. Der ehemalige Europaabgeordnete lernte sein Handwerk in der EU-Kommission und erläuterte kurz vor der Wahl der Londoner Auslandspresse, warum Großbritanniens Sonderbeziehung mit den USA keinen Sinn mehr mache.

Tatsächlich lag die „special relationship“ zuletzt im Argen. Erst die „Pudel“-Periode unter Tony Blair, dann der Schlängelkurs von Gordon Brown, der Washington gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit dem überhasteten Truppenabzug aus dem Irak ärgerte. Im letzten September rannte er dann Barack Obama durchs UN-Gebäude in New York hinterher bis in die Großküche, über die der Präsident das Gebäude verlassen wollte, um zehn Minuten Gesprächszeit zu erhaschen. Er wollte nicht als gedemütigter Premier nach Hause fliegen.

Kaum war Cameron am Dienstagabend Premier, meldete sich das Weiße Haus. Obama gratulierte, sprach von der „außergewöhnlichen Sonderbeziehung“ beider Länder und lud Cameron nach Washington ein. Die transatlantische Beziehung hat Priorität – auch wegen Afghanistan. Seit 2001 sind dort 285 britische Soldaten gefallen, und die Briten verstehen immer weniger, warum ihre Soldaten für das korrupte Regime sterben sollen. Washington hat Angst, dass nach Kanadiern und Holländern auch die Briten kalte Füße bekommen. Das wäre das Ende der Nato-Mission. Hague versicherte vor seinem Abflug, man werde der neuen Strategie Zeit geben. Skeptisch sieht man in London das amerikanische Begehren, britische Truppen von Helmand zu der geplanten Sommeroffensive gegen die Taliban in Kandahar umzudirigieren.

Ein anderes Topthema ist der Iran. Auch hier setzte sich Hague über Positionen der Liberaldemokraten hinweg. Während diese militärische Aktionen kategorisch ausschließen, erklärte Hague als diplomatischer Falke: „Irans Verhalten ist inakzeptabel.“ Schwieriger wird der Schulterschluss mit den USA beim Thema Europa. Denn die USA und Clinton setzen – anders als Hague – auf den EU-Reformvertrag und die gemeinsame Außenpolitik.

Europa könnte bald zum Zankapfel der Koalition werden. In der Koalitionsvereinbarung wurden Extrempositionen geschickt auf einen pragmatischen Kern gebracht. Großbritannien werde ein „positiver Spieler“ in der EU, aber keine weiteren Machttransfers ohne Referendum hinnehmen, heißt es. Premier Cameron unterstrich das, als er statt des vorgesehenen Hardliners den moderaten Tory David Lidington zum Europaminister machte. Das erklärte Ziel von Cameron und Hague ist es, eine Konfrontation mit der EU unter allen Umständen zu vermeiden. Aber das dürfte schon am Dienstag vereitelt werden, wenn die Briten bei der neuen Finanzmarktdirektive durch eine von Berlin und Paris angeführte Allianz überstimmt werden.

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