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Politik: Großer Schritt, kleine Wirkung

Die Knesset hat beschlossen, alle Siedlungen im Gazastreifen aufzugeben – die Araber bleiben skeptisch

Das Ja des israelischen Parlaments zum Gaza-Abzugsplan von Premier Ariel Scharon hat dessen Regierung in eine tiefe Krise gestürzt. Nach der Rücktrittsdrohung von Finanzminister Benjamin Netanjahu und drei weiteren Kabinettsmitgliedern sagte Scharon in der Zeitung „Haaretz“ vom Mittwoch, er werde Druck und Drohungen „niemals nachgeben“. Auch die Forderung Netanjahus und anderer Hardliner nach einer Volksabstimmung zum Abzugsplan wies Scharon zurück. Finanzminister Netanjahu und drei weitere Minister drohten mit Rücktritt, sollte der Regierungschef nicht innerhalb von zwei Wochen einem Volksentscheid über den Rückzugsplan zustimmen. Alle vier gehören zu den Hardlinern in der Likud-Fraktion – genau wie der Minister ohne Geschäftsbereich, Usi Landau, und der stellvertretende Minister für innere Sicherheit, Michael Razon, die Scharon nach dem Votum entließ, weil sie gegen seinen Plan gestimmt hatten.

Die Hamas feierte den Parlamentsbeschluss als Sieg für den palästinensischen Widerstand. Die Palästinenserführung erklärte sich indes bereit, nach dem israelischen Rückzug die Verantwortung im Gazastreifen zu übernehmen, und forderte Israel zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Washington und Brüssel werteten den Rückzugsbeschluss als Chance. Die Evakuierung müsse aber Teil des Friedensplans für einen Palästinenserstaat sein, erklärten die USA und die EU.

Überwiegend skeptisch reagierte hingegen die arabische Presse. Zwar spricht der libanesische „Daily Star“ von einer „historischen Sitzung“ des israelischen Parlaments. In den meisten Kommentaren überwiegt aber eine kritische Lesart der Ereignisse, die von tiefem Misstrauen gegenüber dem israelischem Premier Scharon geprägt ist. Die saudische Tageszeitung „Al Watan“ fürchtet, dass Israel einen Präzedenzfall schafft, der anerkennt, dass Israel den Konflikt nach seiner Manier und nicht auf der Basis internationaler Resolutionen löst. Wenn innerhalb einer Woche 130 Palästinenser im Gazastreifen getötet würden, deute das nicht auf friedliche Absichten hin. „Nur ein toter Araber ist ein guter Araber“ interpretiert die Zeitung die israelische Politik. In der „Jordan Times“ kritisierte Hasan Abu Nimah: „Ein bedeutungsloses Abkommen, das einem völlig handlungsunfähigen und verzweifelten Partner übergestülpt wird, um Forderungen nach einem wirklich dauerhaften Abkommen zuvorzukommen.“

Die libanesische Tageszeitung „As-Safir“ schrieb bereits am Wochenanfang, dass Scharon diesmal nur „listiger“ vorgehe, als in der Vergangenheit, wo er auf „nackte Gewalt“ setzte. Das jetzige „Manöver“ habe jedoch den gleichen Zweck – die politische Zerstörung der Palästinenser, schreibt Joseph Samaha. Er begründet dies damit, dass die Umsetzung der Gazaentscheidung in vier Phasen geplant sei, die jeweils erneut die Zustimmung des Kabinetts benötigten. Daher sei unsicher, ob es wirklich zur völligen Evakuierung des Gazastreifens komme. Gleichzeitig könne Scharon „unter internationalem Applaus“ die schleichende Annexion der Westbank fortsetzen.

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