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Politik: Großes Palaver in Rom

Italiens Präsident Ciampi sucht nach Mehrheiten für einen neuen Ministerpräsidenten – der wohl wieder Berlusconi heißt

Sie kommen und gehen im Viertelstundentakt: die politischen Repräsentanten des Aostatals, die Südtiroler Volkspartei, die Liberal und die Linksdemokraten, die Demokratischen Ökologen, die Europäischen Demokraten, die rechten Sozialisten, die halblinken Italienischen Kommunisten und die ganz linke Kommunistische Neugründung, das Italien der Werte und die separatistische Lega Nord. So viele Parteien gibt es in Italien, einige sind halb- oder mittelgroß, viele aber sehr klein. Mit knapp mehr als einem Prozent haben die meisten von ihnen zwar keinen nennenswerten Wählerauftrag, aber weil viele von ihnen im Parlament sitzen, zählt ihre Stimme doch.

Sie alle sind am Donnerstag zum 84-jährigen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi auf den Quirinalshügel gestiegen, nachdem Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit seinem zuerst listig verzögerten, dann höchst widerwilligen Rücktritt die Regierungskrise offiziell eröffnet hatte. In den nächsten Tagen wird der Staatspräsident die Mehrheiten zusammenrechnen, die sich für eine Lösung der Regierungskrise im Parlament anbieten; dann wird er dem erfolgversprechendsten Politiker den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Nach Lage der Dinge wird das wieder Berlusconi sein. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Ciampi Neuwahlen ausrufen lässt.

Überraschungen lassen sich aber nicht ausschließen. Im Januar 1995 hatte sich Berlusconi auf dieselbe Weise um einen Neuauftrag bemüht – der aber ging zu Berlusconis grenzenlosen Verblüffung an Schatzminister Lamberto Dini. Berlusconi wütete zwar gegen den „Staatsstreich von oben“, aber Italiens Präsident damals, Oscar Luigi Scalfaro, blieb hart.

Doch diesmal ist Berlusconis Ausgangslage besser. Seinerzeit waren drei Misstrauensanträge gegen ihn eingebracht worden; sie trugen sogar die Unterschriften von Koalitionären. Ein Sturz der Regierung war vorauszusehen; per Rücktritt vermied ihn Berlusconi. Heute verfügt der Regierungschef im Abgeordnetenhaus über die Mehrheit von 40 Stimmen, im Senat, der zweiten Parlamentskammer, liegt er mit 22 Mandaten in Führung. Und die Koalitionsparteien haben sich in die Hand versprochen, in Treue fest zusammenzubleiben.

Aber wie? „Nein, nein, kein Sesselballett“, beteuert die rechtskonservative Alleanza Nazionale unter Außenminister Gianfranco Fini. „Viel wichtiger als Ministerposten ist ein klarer programmatischer Neuanfang.“ Aber wie? Bei seinem Auftritt vor dem Parlament, zu dem Ciampi ihn genötigt hatte, versprach Berlusconi die Familien, den Not leidenden Süden und die Konkurrenzfähigkeit der italienischen Wirtschaft zu fördern. Einzelheiten blieb Berlusconi wieder schuldig. So werden wohl, darüber verhandelt man gerade, ein paar Minister ausgetauscht, aber wohl nicht jene aus der ersten Reihe. Und nächste Woche findet dann die Vertrauensabstimmung im Parlament statt.

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