zum Hauptinhalt
Pizza wurde in der "Pizza Connection" eigentlich noch nie gegessen.

© Timmary - Fotolia

Grüne und CDU beraten über Koalition 2017: Die Neuauflage der "Pizza Connection"

Die Treffen von Christdemokraten und Grünen sind nicht immer harmonisch. Aber sie vereint ein Ziel: 2017 soll eine Koalition möglich sein.

Es hatte den Ruch des Verbotenen, als sich 1995 erstmals jüngere Bundestagsabgeordnete der CDU und der Grünen in Bonn beim Italiener trafen. Zwar kannte man sich aus den Ausschüssen und aus Bundestagsdebatten. Trotzdem war es für viele ein abwegiger Gedanke, abends noch gemeinsam im Restaurant zu sitzen und zu reden. Vor allem die CSU beäugte die Treffen skeptisch. Man werde die "Pizza-Connection" aufmerksam beobachten, erklärte der damalige CSU-Generalsekretär Bernd Protzner. Und hatte damit – ohne es zu beabsichtigen – den Namen der Runde festgelegt.

20 Jahre später ist es kein Tabubruch mehr, wenn Christdemokraten und Grüne beim Italiener zusammensitzen. Und doch war es ein Statement, als der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour und CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn zu Beginn dieser Wahlperiode die "Pizza Connection" neu belebten. Die beiden Abgeordneten trafen sich an dem Tag im Oktober 2013 auf den Fluren des Jakob-Kaiser-Hauses, als die Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen gescheitert waren.

Ziel war, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen

Sie kannten sich bereits von früher aus dem Haushaltsausschuss. Gemeinsam beschlossen sie, wieder eine regelmäßige Diskussionsrunde einzurichten. "Jens Spahn und ich wollten, dass der Gesprächsfaden nach den erfolglosen Sondierungsgesprächen nicht ganz abreißt", sagt Nouripour. "Eine schwarz-grüne Koalition sollte, anders als nach der letzten Bundestagswahl, 2017 eine machbare Option sein können", fügt Spahn hinzu.

Mehrere Abende haben die Abgeordneten seitdem beim Italiener in Mitte verbracht, zunächst im "Spaghetti Western", inzwischen trifft man sich im Restaurant "Simon" in der Auguststraße. Jedes Mal wird ein Thema festgelegt, jede Seite darf außerdem einen Referenten nennen, der in die Debatte einführt. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, war schon da, ebenso Eric Schweitzer, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, aber auch Ralf Fücks, Vorstand der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Um Wachstum ging es, um soziale Gerechtigkeit, um Digitalisierung und um Europa.

Spannend wird es auch, wenn die Grenzen verwischen

Manchmal ist man nah beieinander, aber auch umstrittene Themen werden nicht ausgespart: Zuletzt flogen vor drei Wochen die Fetzen, als es um die Flüchtlingspolitik ging. "Das sind keine Kuscheltreffen, sondern wir reden Tacheles", sagt der bayerische Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek. "Die Runden dienen nicht dazu, auf Teufel komm raus Gemeinsamkeiten zu finden. Wir wollen auch schauen, wo Sollbruchstellen zwischen der Union und den Grünen sind." Spannend wird es nach Berichten von Teilnehmern aber auch dann, wenn die Grenzen verwischen. Etwa dann, wenn im Streit über mehr oder weniger Integration in Europa sich plötzlich Europapolitiker beider Parteien gegen Haushalts- oder Finanzpolitiker aus beiden Lagern verbünden.

Bei den abendlichen Treffen dürfen von jeder Seite 15 Teilnehmer dabei sein. Die Plätze zu besetzen, fiel den Organisatoren nicht allzu schwer. "Unsere Idee war es, die Runde flügelübergreifend zusammenzusetzen. Es sollen auch Skeptiker von schwarz-grünen Bündnissen am Tisch sitzen, sonst würde es schnell langweilig werden", sagt der hessische Abgeordnete Nouripour. Der 40-Jährige gehört zum Realo-Flügel, in seinem Bundesland wird derzeit Schwarz-Grün zum ersten Mal in einem Flächenland erprobt.

Es geht darum, die Schmerzgrenzen des anderen kennenzulernen

Doch er legt Wert darauf, dass die Neuauflage der "Pizza Connection" nicht in erster Linie dazu dienen soll, die Weichen für eine schwarz-grüne Koalition nach der Wahl 2017 zu stellen. "Es geht uns nicht darum, einen Koalitionsvertrag auszuhandeln", sagt Nouripour. "Wir wollen in den Diskussionen die Schmerzgrenzen der anderen Seite kennenlernen."

Bei den Teilnehmern, die schwarz-grüne Bündnisse ohnehin skeptisch sehen, dürften diese Schmerzgrenzen schneller erreicht sein. Doch auch sie kommen regelmäßig zu den Diskussionen. Vom linken Flügel der Grünen ist etwa die Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger dabei, ebenso Familienpolitikerin Katja Dörner oder Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. Aber auch auf Unions-Seite sind die Berührungsängste längst nicht mehr so groß wie noch vor 20 Jahren. Spahn konnte für die Runde auch seine CSU-Kolleginnen Katrin Albsteiger und Dorothee Bär gewinnen.

Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber nimmt teil

Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer kommt ebenso zur "Pizza Connection "wie der Generalsekretär der Bundespartei, Peter Tauber. Letzterer lässt in Interviews gerne mal Sympathien für Schwarz-Grün erkennen. Aber auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl aus Baden-Württemberg saß schon mit am Tisch. Wenn jemand aus der Stammbelegschaft der "Pizza Connection" verhindert ist, wird der Platz an einen anderen Politiker vergeben. Geschätzt drei Viertel der grünen Bundestagsfraktion haben auf diesem Wege schon mal an einem Treffen teilgenommen.

Dass sich durch gemeinsame Abende beim Italiener automatisch eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2017 ergeben wird, glaubt keiner aus der Pizza Connection. "Das wird kein Selbstläufer", sagt CDU-Mann Spahn.

Themen wie Flüchtlinge und Asyl machen die Gespräche nicht leichter

"Aber damit es überhaupt gelingen kann, sind persönliche Kontakte und gegenseitiges Vertrauen wichtig." Zur Wahrheit gehöre allerdings auch, so der CDU-Politiker, dass die aktuellen Debatten zu Flüchtlingen und Asyl es zwischen Union und Grünen nicht nur leichter machten.

Der ein oder andere Gesprächskontakt zwischen Schwarzen und Grünen dürfte auch noch aus den Zeiten der ersten "Pizza Connection" bestehen. Auf CDU-Seite gehörten damals unter anderem der heutige Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Kanzleramtschef Peter Altmaier der Runde an. Von den Grünen war Cem Özdemir dabei, seit mehreren Jahren Vorsitzender der Grünen. Zu den wenigen Bundestagsabgeordneten, die bereits in Bonn im Sassella mitdiskutierten, die aber auch heute im Restaurant Simon vorbeischauen, gehören die Grünen-Politiker Volker Beck und Steffi Lemke. Und zumindest eines ist in den letzten 20 Jahren unverändert geblieben: Pizza wurde in der "Pizza Connection" eigentlich noch nie gegessen.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 24. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false