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Politik: Grünes Kernthema

Obrigheim bleibt zwei Jahre länger am Netz – trotzdem ist Umweltminister Trittin mit dem Kompromiss zufrieden

Von Cordula Eubel und

Markus Feldenkirchen

Ein Thema, das die meisten nicht auf ihrer Liste hatten, hätte die rot-grünen Koalitionsverhandlungen kurz vor Schluss fast gesprengt. Am Sonntag saßen die acht Spitzenverhandler von SPD und Grünen insgesamt sieben Stunden hinter verschlossenen Türen zusammen – eigentlich um die konkreten Sparpläne zu beschließen. Doch auf diese hatten sich Schröder, Fischer, Eichel und Co viel schneller geeinigt, als bislang angenommen. Plötzlich aber war ein Randthema zum Kernthema geworden. Die Zukunft des Atomkraftwerks Obrigheim hielt die Spitzenrunde länger zusammen als geplant. So lange, dass die eigentlich für Sonntagnachmittag geplante große Koalitionsrunde zur Finanzplanung auf den Montag verschoben werden musste. Der Kanzler soll die Grünen immer wieder gemahnt haben, von ihrer Maximalforderung abzurücken, Obrigheim schon Anfang 2003 vom Netz zu nehmen – so wie im Atomkonsens vereinbart.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin präsentierte am Montagabend dann den Kompromiss: Das älteste Akw Deutschlands, das 1969 in Betrieb gegangen ist, bleibt zwei Jahre länger am Netz als geplant. Die Laufzeitverlängerung geht auf Kosten des 22 Jahre alten Kraftwerks Philippsburg I, das dafür ein Jahr früher stillgelegt werden muss. Der Kraftwerksbetreiber Energie Baden-Württemberg (EnBW) kann dafür eine Strommenge von 5,5 Terawattstunden von Philippsburg auf Obrigheim übertragen – das entspricht einer Laufzeit von zwei Jahren. Der EnBW-Vorstandsvorsitzende Gerhard Goll hatte eine Verlängerung von fünfeinhalb Jahren beantragt und sich auf eine Zusage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) berufen. „Selbstverständlich hat es Gewicht, wenn ein Bundeskanzler etwas zusagt“, räumte Trittin ein. Der Umweltminister wollte die Sonderregelung für das Akw aber nicht als Präzedenzfall verstanden wissen, sie habe keine „präjudizierende“ Wirkung, sagte er.

Die Grünen-Unterhändler schienen jedenfalls zufrieden zu sein mit dem Kompromiss. Vor dem Votum der eigenen Basis auf dem Grünen Parteitag in Bremen am Freitag brauche man jetzt keine Angst mehr zu haben, hieß es am Montag. Die Delegierten würden schon begreifen, dass man wegen zwei Jahren Restlaufzeit in Obrigheim nicht vier Jahre Rot-Grün in Berlin gefährden dürfe. Auch der Umweltminister übt auf der eilig anberaumten Pressekonferenz schon einmal für den Parteitag: „Das führt nicht zu einer einzigen Kilowattstunde mehr Atomstrom“, sagt Trittin. Obrigheim werde noch in dieser Legislaturperiode endgültig abgeschaltet. Der Baden-Württembergische Landesverband der Grünen hatte im Vorfeld damit gedroht, gemeinsam mit anderen Landesverbänden die Zustimmung zum Koalitionsvertrag zu verweigern, sollte Obrigheim nicht schnell vom Netz gehen. Die Umweltorganisation Greenpeace, welche die Koalitionsrunden mit Mahnwachen begleitet hatte, übte deutliche Kritik: Rot-Grün lasse in Fragen der Sicherheit von Atomkraftwerken „mit sich schachern“.

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