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Politik: Grundrechte-Charta: "Europa wächst einen entscheidenden Schritt zusammen"

Mehr als sechs Monate lang haben 62 europäische Parlamentarier und Juristen diskutiert und manchmal auch gestritten, um eine Grundrechte-Charta der Europäischen Union zu erarbeiten. Inzwischen liegt ein erster Entwurf vor, der die gemeinsamen Werte der EU festschreiben soll.

Mehr als sechs Monate lang haben 62 europäische Parlamentarier und Juristen diskutiert und manchmal auch gestritten, um eine Grundrechte-Charta der Europäischen Union zu erarbeiten. Inzwischen liegt ein erster Entwurf vor, der die gemeinsamen Werte der EU festschreiben soll. Die Bundesregierung hat sich am Freitag sehr zufrieden mit diesem Entwurf gezeigt, der im September vom EU-Grundrechte-Konvent abschließend beraten werden soll: "Mit dieser Charta wächst Europa einen ganz entscheidenden Schritt zusammen", sagte Außenminister Joschka Fischer nach einem Treffen mit dem früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, dem Vorsitzenden des Grundrechte-Konvents. Fischer kündigte an, die Bundesregierung werde den Entwurf in den entsprechenden Gremien mit Nachdruck unterstützen.

Im Dezember soll die Charta auf dem EU-Gipfel in Nizza verabschiedet werden. Bis dahin ist noch mit kontroversen Diskussionen zu rechnen. Der Entwurf beruhe auf einem mühsam erreichten Kompromiss, sagte Herzog. Unterschiedliche Rechtstraditionen in der Europäischen Union seien aufeinander getroffen. Die Schwierigkeiten begannen damit, dass es im Grundrechte-Konvent keine Einigkeit darüber gab, ob man eine allgemeine politische Erklärung ausarbeiten wolle oder einen rechtlich verbindlichen Text. Der Ausweg aus diesem Dilemma war eine salomonische Entscheidung: "Darüber muss der Europäische Rat bestimmen, wir wollten keine Vorentscheidung treffen", sagte Herzog. Daher habe man den Entwurf so formuliert, dass er auch Vertragstext werden könne.

Doch selbst wenn die Charta rechtsverbindlich wird, so gilt sie "für die Organe und Einrichtungen der Union". In den Mitgliedsstaaten würde sie allein dort gelten, wo EU-Recht umgesetzt wird. Damit könne die Charta, so bemängeln Kritiker, den EU-Bürgern die Grundrechte gar nicht garantieren. Doch derartige Kritik wies Herzog deutlich zurück: "Wo Macht entsteht, ist jede Sicherheitsmaßnahme notwendig." Im Grundgesetz sei das Recht auf Kriegsdienstverweigerung festgeschrieben worden, bevor die Wehrpflicht überhaupt eingeführt war.

Die im Entwurf genannten "gemeinsamen Werte" reichen vom Recht auf Leben über das Verbot von Folter und Sklaverei und das Recht auf Meinungsäußerung bis zum Recht auf soziale Sicherheit. Umstritten sind die sozialen Grundrechte. Das Recht auf Anhörung von Arbeitnehmern im Unternehmen ist bei britischen Arbeitgebern bereits auf heftige Kritik gestoßen. Der "Economist" bezeichnete gar die gesamte Charta als "komplettes Durcheinander". Trotz aller Differenzen ist Herzog zuversichtlich, dass im September eine breite Mehrheit des Konvents dem Entwurf zustimmen wird. Was dann daraus werde, sei Sache des Europäischen Rates. Fischer sagte dazu, ob die Charta der erste Schritt zu einer europäischen Verfassung sein könne, werde die Zukunft zeigen.

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