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Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

© AFP

Grundsatzrede: Westerwelles flammende Ernsthaftigkeit

Guido Westerwelle hat am Donnerstag eine Grundsatzrede zur deutschen Außenpolitik gehalten. Es war auch eine Rede, die deutlich machte, dass nach einem Jahr im Amt aus Ernsthaftigkeit noch keine Souveränität geworden ist.

Kein Witz, kein böse Bemerkung, keine kleine Anekdote. Auch nach einem Jahr im Amt vertritt Guido Westerwelle offenbar die Auffassung, dass deutsche Außenpolitik eine ernsthafte Sache ist. Und keine einzige Stelle der sogenannten Grundsatzrede, die Westerwelle am Donnerstagabend vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hielt, ließ deshalb daran zweifeln, dass er die deutsche Außenpolitik voller flammender Ernsthaftigkeit betreibt.

Es war eine Rede, die zurückblickte und noch einmal Westerwelles erste Entscheidungen im Amt – wie zum Beispiel der Antrittsbesuch in Polen – für richtig befand. Es war zugleich eine Rede, die pflichtbewusst auf jene Pflöcke einschlug, die die deutsche Außenpolitik traditionell eingrenzen: Bekenntnis zu Europa, zu Frieden und Abrüstung und der Wille, die „Chancen der Globalisierung zu Gunsten aller zu nutzen“.

Aus dem Bekenntnis zu Europa leitete Westerwelle eine große Verantwortung ab: die Stabilität des Euro. Für Westerwelle ist die Krise der europäischen Krise eine direkte Konsequenz der Aufweichung der Stabilitätskriterien, an der auch Deutschland beteiligt war. „Jetzt kommt es darauf an, diese Stabilitätskultur verbindlich festzuschreiben.“ Dass er sich damit gegen den zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gerade ausgehandelten Kompromiss stellen würde, stritt Westerwelle jedoch ab. Es gehe schließlich darum, was im kommenden Jahr passiert. Westerwelle fordert einen Sanktionsmechanismus, der der „politischen Opportunität“ entzogen ist.

Westerwelle warnte auch davor, als Reaktion auf die Krise eine Renationalisierung voranzutreiben. „Für Deutschland kommt ein solcher Kurs nicht in Betracht. Wer als Antwort auf die Euro- Krise den europäischen Gedanken in Frage stellt, hat aus der Geschichte nichts gelernt. Deutschland steht unzweideutig zu Europa.“

Es war zudem eine Rede, die eine diplomatisch abgesicherte tour d’horizon über die Felder deutscher Außenpolitik bot: Russland ist ein strategischer Partner, der Türkei sollte nicht vorschnell die Tür vor der Nase zugeschlagen werden, zu Verhandlungen mit dem Iran gibt es keine Alternative, Serbiens Beitrittsantrag sollte an die EU-Kommission weitergeleitet werden und Europa sollte sich stärker für die Stabilität Pakistans engagieren. Bisweilen war Westerwelles Sprache so diplomatisch, dass sie zu diplomatisch blieb: „China kann stolz auf seinen Preisträger sein“, sagt er in Bezug auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo. Kann? Sollte? Dessen Entlassung aus dem chinesischen Gefängnis forderte Westerwelle jedenfalls nicht.

Es war schließlich eine Rede, die deutlich machte, dass auch nach einem Jahr aus Ernsthaftigkeit noch keine Souveränität geworden ist. Westerwelle lobte an einer Stelle der Rede seine Staatsministerin Cornelia Pieper für ihre „unermüdliche“ Arbeit an den Beziehungen zu Polen. Im Auswärtigen Amt, daran ließ die Grundsatzrede Westerwelles keinen Zweifel, wird unermüdlich gearbeitet. So kam sogar der Harmel-Bericht zur Geltung.

Erst am Ende, in der kurzen Fragerunde, als ihm wohl klar wird, dass er die Rede gemeistert hat, erzählt Guido Westerwelle eine Szene aus dem Leben des deutschen Außenministers, weil „solche kleinen Sachen so viel sagen“: Er habe einmal zusammen mit Bernard Kouchner im Garten des französischen Außenministeriums gesessen, als die Außenminister Polens und Russlands dazugestoßen seien. Die beiden hätten von selbst vorgeschlagen, den kleinen Grenzverkehr zwischen ihren Ländern zu erweitern. Das, meint Westerwelle, müsse man sich einmal vorstellen. Außenpolitik ist, das sagte er zu Beginn seiner Rede, nicht statisch.

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