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Politik: Gül zieht Kandidatur zurück

Istanbul - Der türkische Präsidentschaftskandidat Abdullah Gül gibt auf – und plant sein Comeback. Die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan scheiterte am Sonntag erneut mit dem Versuch, Gül im Parlament in Ankara zum neuen Staatspräsidenten zu wählen.

Istanbul - Der türkische Präsidentschaftskandidat Abdullah Gül gibt auf – und plant sein Comeback. Die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan scheiterte am Sonntag erneut mit dem Versuch, Gül im Parlament in Ankara zum neuen Staatspräsidenten zu wählen. Bei der Sitzung waren wegen eines Boykotts der Opposition weniger als die erforderlichen zwei Drittel der 550 Abgeordneten im Plenum. Gül kündigte daraufhin den Verzicht auf seine Kandidatur an. Zugleich betonte der Außenminister, dass er sich bei der Direktwahl des Staatspräsidenten als Kandidat aufstellen lassen will und dabei auch mit einem Sieg rechnet.

Auf Fragen von Journalisten sagte Gül nach der gescheiterten Parlamentsabstimmung, er sei nicht gekränkt: „Es genügt, einen Platz im Herzen der Nation zu haben.“ Mit einer formellen Erklärung zum Rückzug seiner Bewerbung wurde noch im Laufe des Tages gerechnet. Das Präsidentenamt ist zum Kristallisationspunkt des Machtkampfes zwischen Erdogans religiös-konservativem Lager und den kemalistischen Eliten geworden. Am Wochenende demonstrierten erneut mehrere zehntausend Menschen gegen Güls Kandidatur.

Doch auch nach dem vorläufigen Scheitern von Gül ist dieser Machtkampf noch nicht entschieden: Erdogan will per Verfassungsänderung die Direktwahl des Präsidenten durch das Volk einführen. Das entsprechende Gesetzespaket wurde bereits vom Verfassungsausschuss des Parlaments verabschiedet und soll rasch ins Plenum kommen. Die AKP will erreichen, dass die Präsidentendirektwahl gleichzeitig mit den vorgezogenen Parlamentsneuwahlen am 22. Juli stattfindet.

Allerdings ist unklar, ob und wann das Verfassungspaket in Kraft treten kann. Türkische Medien berichteten, möglicherweise werde der amtierende Staatspräsident und Erdogan-Gegner Ahmet Necdet Sezer die Direktwahl-Pläne bis nach den Neuwahlen im Juli verzögern. In diesem Fall müsste der neue Präsident wie bisher vom Parlament gewählt werden. Nach den neuen Vorgaben des Verfassungsgerichts wäre Erdogan auf die Zustimmung der Opposition angewiesen. Gül wäre dann kaum durchzusetzen.

Auch eine erneute AKP-Alleinregierung nach den Neuwahlen ist unsicher geworden. Zwei bürgerlich-konservative Parteien, die Partei des rechten Weges (DYP) und die Mutterlandspartei (ANAP), beschlossen am Wochenende ihre Vereinigung zur Demokratischen Partei (DP). Die neue Partei kann im Juli mit mehr als zehn Prozent der Stimmen und damit mit einem Einzug ins Parlament rechnen. Die DP dürfte nicht nur konservative Wähler von der AKP weglocken. Im Parlament könnte sie Erdogan zur Bildung einer Koalitionsregierung zwingen. Auch auf der Linken gibt es Bestrebungen, mehrere Parteien unter einem Dach zu vereinen. Dass die AKP bei den Wahlen stärkste politische Kraft bleiben wird, ist aber unumstritten.

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