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FDP-Chef: Guido Westerwelle: Wende im Trend

Anfang des Jahres war man nicht sicher, ob Guido Westerwelle am Aschermittwoch noch FDP-Chef sein würde. Er ist es. Wie war der Auftritt des Vorsitzenden der Liberalen und wie gefestigt ist er?

Von Antje Sirleschtov

Als Guido Westerwelle im vergangenen Jahr zum Aschermittwoch ins bayerische Straubing kam, waren seine Partei und vor allem ihr Vorsitzender selbst wegen der Mövenpick-Affäre und mehr noch wegen der Hartz-IV-Sozialstaatsaffäre gerade mächtig im öffentlichen Ansehen abgesackt. Dennoch wussten die Veranstalter des liberalen Aschermittwochs 2010 nicht, wie sie des großen Ansturms der Besucher Herr werden sollten. Fast 1000 Zuschauer, gut doppelt so viele wie erwartet, drängten in den Saal. Sie wollten offenbar den Mann reden hören, der es geschafft hatte, erst die Bundestagswahl mit einem grandiosen Ergebnis zu gewinnen und dann innerhalb weniger Monate zum Un-Politiker des Jahres zu werden.

In diesem Jahr war es in Straubing genau umgekehrt. Seit Wochen sieht man einen freundlich lächelnden Guido Westerwelle als seriösen Außenminister Deutschlands durch die Fernsehkanäle schreiten. Er befreit deutsche Geiseln im Iran und trifft bei den wichtigsten außenpolitischen Themen den richtigen Ton. Innenpolitisch tritt Westerwelle hingegen überhaupt nicht mehr in Erscheinung. Und das, obwohl es die politische Lage – vom Desaster seines ärgsten Widersachers im Kabinett, Karl-Theodor zu Guttenberg, bis hin zur plötzlichen Offenheit des Finanzministers für Steuersenkungen – reichlich zugelassen hätte. So einen Guido Westerwelle wollen die liberalen Bayern aber offenbar nicht hören, zumindest nicht am Aschermittwoch. Der Saal in Straubing blieb daher dieses Jahr recht übersichtlich gefüllt.

Die Ansprachen des FDP-Vorsitzenden aus dem vergangenen Jahr und in diesem Jahr ähnelten sich in ihrer rhetorischen Bescheidenheit allerdings auf bemerkenswerte Weise. So wie Westerwelle 2010 danach trachtete, nicht neues Öl ins Feuer seiner politischen Gegner zu gießen, folgte er in diesem Jahr dem selbst auferlegten Gebot der innenpolitischen Zurückhaltung. Nur sehr dezent griff Westerwelle die Grünen an, fordert den Abschied von Protesthaltung und Dagegenkultur in Deutschland. „Wir können nicht ein Land sein, in dem nur noch Mehrheiten gegen etwas möglich sind.“ Und gänzlich verzichtete er vor den nächsten Landtagswahlen auf Kritik an CSU und CDU sowie auf tagespolitische Attacken. Selbst beim Thema Steuersenkungen blieb Westerwelle beinahe erschreckend undeutlich. Zwar sagte er, dass er weiter auf niedrigere Steuern dringen wolle, die bisherigen Steuersenkungen von Schwarz-Gelb seien „nicht das letzte Ziel“. Doch das war schon alles. Die sich anschließenden Lobpreisungen der Erbschaftssteuer- und Mittelstandspolitik der Regierung boten nur Bekanntes aus den Reden des FDP-Vorsitzenden der vergangenen Monate. Auf Neues, politisch gar Aufregendes, verzichtete Westerwelle völlig.

In seiner Partei wird die Abstinenz, die sich der Vorsitzende offenbar verordnet hat, als Hinweis für dessen Ambitionen auf eine erneute Kandidatur für das Amt des Parteichefs Mitte Mai gedeutet. Als laufe der Mann, der bis zuletzt noch mit erhobenem Kopf auf die Richtigkeit seiner Sozialstaatsanalysen gepocht und damit seine Widersacher immer aufs Neue gereizt hatte, nunmehr wie auf rohen Eiern durch das Berliner Regierungsviertel. Niemand in der FDP soll nach dem 27. März behaupten können, dass miserable Wahlergebnisse in den südwestdeutschen Ländern auf durch den Vorsitzenden ausgelöste Störfeuer zurückzuführen sind. Wo verloren wird, sollen die regional Verantwortlichen die Suppe auslöffeln. Westerwelle jedenfalls will nicht den Sündenbock spielen.

In der Partei sieht man das Auftreten des Vorsitzenden mit gelassenem Wohlwollen. Das plötzliche Schweigen des Guido W. wärmt das zuletzt äußerst strapazierte Verhältnis der Liberalen zu ihrem Chef zwar nicht wieder herzlich an. Dazu hatte Westerwelle wohl den Bogen zu sehr gespannt. Allerdings keimt so etwas wie friedliche Koexistenz. Man braucht einander eben. Noch. Selbst der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Herbert Mertin folgt diesem Weg. Noch zu Jahresbeginn hatte er Westerwelle als „Klotz am Bein“ für seinen Wahlkampf bezeichnet und ihn gebten, das Bundesland bis zur Wahl zu meiden. Nun treten beide gemeinsam auf.

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