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Politik: Gute Absichten für Nahost

Nichts Neues, zumindest nicht viel. Vor allem nichts wirklich Überraschendes.

Nichts Neues, zumindest nicht viel. Vor allem nichts wirklich Überraschendes. So sehen sowohl Israelis als auch Palästinenser die mit großer Spannung erwartete Rede des amerikanischen Außenministers Colin Powell zur Nahostpolitik der USA. Insgesamt fallen die Reaktionen auf der israelischen Seite zufriedener aus als die der Palästinenser.

Die Grundzüge der Rede Powells und viele Details davon waren in der Region seit einigen Tagen bekannt, so dass sich das Interesse auf einige wenige Punkte und auf den Tonfall konzentrierte. "Eine ausgezeichnete Rede", befand die für Information zuständige israelische Ministerin Zippi Livne, die jeweils exakt die Ansichten Ministerpräsident Ariel Scharons wiedergibt. Powell habe nichts weiter von Israel verlangt als der Mitchell-Plan, nämlich den Siedlungsstopp, an den sich Israel praktisch halte - was allerdings nicht nur von der Opposition bestritten wird.

Außenminister Schimon Peres attestierte vom Krankenbett aus Powell eine "positive Rede voller guter Absichten" gehalten zu haben, "aber die Hauptarbeit liegt noch vor uns". Peres und andere israelische Sprecher verwiesen auf die Forderung Powells an die Adresse der Palästinenser, die Existenz eines jüdischen Staates anzuerkennen, was aus israelischer Sicht einer indirekten Zurückweisung des von den Palästinensern geforderten Rückkehrrechtes der Flüchtlinge gleichkommt. In die gleiche Richtung geht nach israelischer Ansicht auch Powells Bemerkung über die Notwendigkeit einer zwar gerechten, aber auch realistischen Lösung des Flüchtlingsproblemes.

Die Palästinenserführung zeigte sich höflich zufrieden mit der Grundsatzrede Powells. Gleichzeitig wurde aber klar, dass sie sich konkretere Vorgaben gewünscht hätte: Vor allem eine Zurückweisung der israelischen Forderung, vor jeglichen Verhandlungen müßten mindestens sieben Tage absolute Waffenruhe herrschen. Eine Forderung, welche die USA in der Vergangenheit als unrealistisch und der Koordinator der EU-Außenpolitik, Javier Solana, als "dumm" bezeichnet haben. Aus der sehr allgemeinen Rede Powells haben die Palästinenser aber vor allem den klaren Willen der USA herausgelesen, sich nach fast einjähriger Abwesenheit wieder in den Nahostkonflikt einzumischen. Positiv vermerkt wurde auch, dass Powell das Ende der israelischen Besatzung als Ziel der Verhandlungen nannte und sich auf die UN-Resolutionen 242 und 338 berief.

In der Vergangenheit hatten Palästinenser häufig kritisiert, dass nur über das Sicherheitsproblem gesprochen wird, aber die Wurzel des Konfliktes, nämlich die israelische Besatzung, aus den Augen verloren würde. "Die Rede zeugte von dem Wunsch, schnell zu handeln und den Friedensprozess wieder in Gang zu setzen", erklärte Kooperationsminister und Berater von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Nabil Shaath. "Die Rede enthielt unsere Hauptforderungen nach einem unabhängigen und lebensfähigen Palästinenserstaat und dem Ende der Besatzung." Arafats Berater Rudeina nannte Powells Rede etwas zurückhaltender einen "Schritt in die richtige Richtung".

"Wir wünschen uns jetzt, dass Amerika diese Rede in Taten vor Ort umsetzt", sagte Rudeina und sprach damit wahrscheinlich vielen Palästinensern aus dem Herzen. Als Schwächen der Rede nannte Shaath, dass Powell keinen Zeitrahmen für die Umsetzung des Mitchell-Plans und der UN-Resolutionen genannt habe. Auch die Tatsache, dass die Entsendung von Beobachtern, wie sie die Palästinenser seit langem fordern, nach wie vor vom Veto der Israelis abhängen soll, bedauerte Shaath. Auch die Sprecherin der Arabischen Liga, die Palästinenserin Hanan Ashrawi, interpretierte die Rede des Außenministers an der Universität von Louisville im US-Bundesstaat Kentucky als "klaren Beweis" dafür, dass Washington sich wieder mit voller Kraft im Nahostkonflikt engagieren werde. Ihrer Meinung nach sei Powells Wunsch, sofort und ohne Vorbedingungen mit der Umsetzung des Mitchell-Plans und Verhandlungen zu beginnen, "implizit" in seiner Rede enthalten.

Sie unterstrich, dass Powell keine Bedingungen nannte und daher im Umkehrschluss auch der israelischen Forderung nach sieben Tagen Waffenruhe eine Abfuhr erteilte. "Vielleicht hätte Powell dies ausdrücklich sagen sollen", räumte Hanan Ashrawi ein. Denn eins ist sicher: Israel wird genau das Gegenteil aus Powells Rede herauslesen. Auf Powells Forderung, die Palästinenser müssten der "Kultur der Gewalt" ein Ende setzen, erwiderte Ashrawi: "Man kann keine Kultur völlig losgelöst von der Realität schaffen."

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