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Drei in Kiew. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (r.) verhandelte mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Ratspräsident Donald Tusk (l).

© AFP

EU-Ukraine-Gipfel: Guter Europäer, böser Europäer

Jean-Claude Juncker und Donald Tusk wirken beim EU-Ukraine-Gipfel auf Präsident Petro Poroschenko ein – doch eine Einigung gibt es nicht.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk hatten sich die Rollen für ihren Besuch in Kiew klar aufgeteilt. Ihre Mission für den EU-Ukraine-Gipfel am Montag war klar: Sie verlangten von der Ukraine mehr Anstrengungen, vor allem in Bezug auf anstehende Reformen in der Verwaltung und der Wirtschaft. Dafür gab Juncker den Bösen und drängte Kiew regelrecht zu Veränderungen. Reformen seien immer schmerzhaft, sagte er, aber in der Ukraine dringend nötig. Der Pole Tusk hingegen übernahm die Rolle des Verständnisvollen. Nur einmal wurde er etwas deutlicher, und zwar in perfektem Ukrainisch: „Nehmt eurer Schicksal in die eigenen Hände, um euren Traum zu verwirklichen.“

Der erste Weg führte den EU-Ratspräsidenten bei seinem Kiew-Besuch in eine Seitenstraße des Maidans: In der Institutska Straße 4 waren im Februar 2014 innerhalb eines Vormittags 70 Menschen durch Scharfschützen ums Leben gekommen. Schweigend legte Tusk ein gelb- blau-weißes Blumengebinde neben die vielen Fotos, die dort in Erinnerung an die Toten stehen. „An diesem Ort haben Menschen ihr Leben für ihre Ideale, für Freiheit, Gerechtigkeit und Europa geopfert, das darf nicht vergessen werden“, sagte Tusk. Die Ukraine habe „starke Gegner, die technisch hervorragend ausgerüstet sind, aber sie hat auch starke Partner, die an ihrer Seite stehen.“

In einem mehr als drei Stunden langen Mittagessen, an dem lediglich Präsident Petro Poroschenko, Juncker und Tusk teilnahmen, wurden die anliegenden Themen detailliert besprochen. Von ukrainischer Seite hieß es, Kiew sei enttäuscht, dass der Westen sein Interesse an dem Land nach den Minsker Vereinbarungen offenbar stark nach unten gefahren habe. „Wir brauchen aber die Hilfe aus dem Westen. Wie sollen wir uns sonst in einen westlichen Staat umwandeln?“, sagte ein hoher Beamter aus der Präsidialverwaltung.

Ergebnisse bot der Gipfel nicht, wichtige Themen wie weitere Wirtschaftshilfen oder den Start der EU Freihandelszone 2016 wurden auf das EU-Ratstreffen Ende Mai in Riga verschoben. Auch in der Visa-Frage ist keine Einigkeit erzielt worden. Nur in einem Punkt waren sich die Teilnehmer einig: Die Ukraine gehört zwar zur europäischen Familie, muss sich aber noch sehr anstrengen, bis sie auch zur Europäischen Union gehört. Dabei hatte Poroschenko eine klare EU-Beitrittsperspektive für sein Land erwartet. In fünf Jahren sollten die Bedingungen für einen Antrag erfüllt sein, sagte er. Solange der Krieg in der Ostukraine andaure, so die offizielle Begründung aus Brüssel, könne die Visa-Regelung gegenüber der Ukraine nicht aufgehoben werden.

Die Gefechte nehmen wieder zu

Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch zu hören, dass gerade Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien noch andere Probleme mit dem Land hätten: Die Ukraine hat erst vor wenigen Monaten damit begonnen, biometrische Pässe auszustellen. Bislang gelten handgeschriebene Papiere, der Identitätsbetrug und Handel ist ein lukratives Geschäft. Experten warnen vor diesen Sicherheitslücken.

Wenige Stunden vor dem Gipfel hatte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk den Westen noch einmal um Waffenlieferungen gebeten. Im Interview mit dem ukrainischen Fernsehen sagte er an die EU-Partner gewandt: „Geben Sie uns die Möglichkeit, unser Territorium zu verteidigen. Geben Sie uns Waffen, weil wir auch Ihre Grenzen verteidigen.“

Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verwies im Dreier-Gespräch auf die wachsende Gefahr in der Ostukraine. Während der Westen zu einseitig darauf setze, dass die Vereinbarungen von Minsk umgesetzt würden, hätte Russland längst wieder neue Tatsachen geschaffen, sagte er. Die Aufrüstung der Separatisten sei dagegen seit Wochen in vollem Gang. „Das wichtigste ist, dass wir die russische Aggression stoppen“, sagte Poroschenko am Nachmittag Doch ausgerechnet am Montag meldeten die OSZE-Beobachter die heftigsten Gefechte aus dem Süd-Donbass seit Ausrufung des Waffenstillstands Mitte Februar. Vor allem in und um Schyrokyne, einem Ort nahe der Hafenstadt Mariupol, soll mit schweren Waffen gekämpft worden sein.

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