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Politik: Häuser stehen wieder – nur die Menschen fehlen Serben wollen nach den Pogromen nicht zurück

Belo Polje - Die Hunde sind noch immer da. Ein halbes Dutzend liegt faul vor dem Pfarrhaus, das mehrere Monate nach den Ausschreitungen vom März wieder renoviert ist.

Belo Polje - Die Hunde sind noch immer da. Ein halbes Dutzend liegt faul vor dem Pfarrhaus, das mehrere Monate nach den Ausschreitungen vom März wieder renoviert ist. Anders als im Frühjahr, als die Hunde hier herrenlos zwischen den Ruinen umherstreunten, spielen jetzt vier Männer an einem Tisch vor der provisorischen Unterkunft Domino.

Normalität allerdings ist in Belo Polje noch längst nicht wieder eingekehrt. „Wie soll man leben, wenn man nicht einmal unbegleitet zum Einkaufen in die Stadt gehen kann?“, fragt etwa Momcilo Savic. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Söhnen floh er am 17. März wie die anderen Bewohner des kleinen Dorfs am Stadtrand von Pec in das nahe gelegene Lager der italienischen Kfor-Soldaten. Zuvor war ein Mob von Hunderten Kosovo-Albanern den Hang nach Belo Polje hochmarschiert, um den Ort, genauso wie Dutzende andere Enklaven der serbischen sowie anderer Minderheiten, dem Erdboden gleichzumachen.

„Sie haben alles zerstört“, sagt der 44-jährige Savic und schüttelt resigniert den Kopf. Vierzig Tage verbrachte er gemeinsam mit den anderen Flüchtlingen im „Villaggio Italiano“, das von italienischen Soldaten der multinationalen Nato-Eingreiftruppe im Kosovo geleitet wurde. Zusammen mit seinen beiden Söhnen und zehn weiteren Familienvätern bildet Savic nun die Vorhut für die Rückkehr weiterer Dorfbewohner. Doch auch mehr als ein halbes Jahr nach den schlimmsten Ausschreitungen seit Einrichtung des UN-Protektorats im Juni 1999 befinden sich mehr als 2300 der 4100 Geflohenen immer noch in Kfor-Kasernen oder Lagern des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Wegen mangelnder Sicherheit hat die serbische Regierung in Belgrad außerdem den Boykott der Parlamentswahlen im Oktober angeordnet.

Immerhin sind in Belo Polje die meisten der zerstörten Häuser wieder saniert, bis zum Herbst sollen auch die sanitären Einrichtungen so weit funktionieren, dass zumindest die Infrastruktur für eine Rückkehr geschaffen wäre. Mental allerdings scheint der von kosovo-albanischen Extremisten angerichtete Schaden kaum zu reparieren: Neunzehn Tote und mehr als 800 Verletzte zählten Hilfsorganisationen damals, der Nato-Oberkommandierende für Südeuropa, Gregory Johnson, sprach von „ethnischen Vertreibungen“, und Unmik-Chef Harri Holkeri reichte drei Monate später seinen Rücktritt ein.

Zwar hat sein Nachfolger, der seit einigen Wochen amtierende dänische Flüchtlingsexperte Soren Jessen-Petersen, versprochen, dass die Gewährleistung der Sicherheit für alle Bewohner des Kosovo ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehe. Außerdem wurde am Mittwoch die Einrichtung eines Fonds zur Wiederherstellung der zerstörten Klöster und Kirchen angekündigt: 4,2 Millionen Euro sollen zur Rekonstruktion der mehr als 150 religiösen Einrichtungen bereitgestellt werden, die von den kosovo-albanischen Randalierern angegriffen worden sind.

Doch nicht nur in dem kleinen Dorf Belo Polje ist man skeptisch, ob die Vereinten Nationen das Vertrauen der rund 100 000 Kosovoserben, der Roma und Ashkali wieder gewinnen können. Ein mit der Rückkehr der im März Geflohenen betrauter Unmik-Mitarbeiter hält es für „ausgeschlossen, dass Angehörige von Minderheiten nach den Ausschreitungen in relevanter Zahl zurückkehren werden“.

Markus Bickel

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