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Politik: Halfen russische Offiziere den Geiselnehmern von Beslan?

Chef von Untersuchungskommission sieht zumindest Fahrlässigkeit auch in höheren Etagen / Verteidigungsministerium dementiert

Der Vorwurf war ungeheuerlich, und so fragten die anwesenden Journalisten sicherheitshalber noch mal nach. Doch sie hatten sich nicht verhört: Beim Geiseldrama in der Schule von Beslan, so Alexander Torschin am Donnerstagabend, hätten die Terroristen Hilfe von hochrangigen russischen Militärs erhalten. Zwei der Komplizen seien bereits in Haft, weitere Festnahmen würden folgen. Darunter auch Dienstgrade „höher als Majore“.

Torschin, Mitglied der Kremlpartei „ Einiges Russland“, leitet die parlamentarische Untersuchungskommission, die Umstände und Hergang des Dramas aufklären soll. Über 1200 Kinder und Erwachsene waren Anfang September in der Gewalt von Extremisten, die Unabhängigkeit für Tschetschenien und den Abzug der russischen Truppen verlangten. Bei dem chaotischen Sturm der Schule starben über 340 Menschen. Mit den bisherigen Zwischenberichten höchst unzufrieden, hatten die Hinterbliebenen vergangene Woche für mehrere Tage eine Fernverkehrsstraße gesperrt. Sie verlangten die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission und den Rücktritt des Präsidenten der Teilrepublik Nordossetien, Alexander Dsasochow.

Es war Russlands amtliche Nachrichtenagentur Itar-Tass, die Torschins Erkenntnisse publik machte und prompt von der westlichen Konkurrenz zitiert wurde. Am Abend dann erklärte Itar-Tass: Die „von verschiedenen Medien verbreitete Meldung“ entspreche nicht den Tatsachen. „Offiziere des Verteidigungsministeriums hatten keinerlei Beziehung zu den Helfern der Terroristen“, zitierte die Agentur nun das Referat Öffentlichkeitsarbeit im Verteidigungsministerium. Kurz darauf ruderte Torschin selbst bei Radio „Echo Moskwy“ zurück: Unter Hilfestellung für die Terroristen würden auch Inkompetenz, Fahrlässigkeit und Schlendrian fallen. Und eben das würde seine Kommission auch höheren Chargen im Verteidigungsministerium vorwerfen. Entsprechendes Belastungsmaterial habe die Kommission der Staatsanwaltschaft übergeben.

Auf die Frage von „Echo Moskwy“, ob sie Hilfestellung der Armee für die Terroristen für möglich hielten, antworteten von rund 4000 Anrufern 68 Prozent mit Ja. Und mehrere Anrufer begründeten dies mit bereits bekannten Skandalen: Offiziere hatten den tschetschenischen Separatisten Waffen verkauft oder sich mit diesen die Erlöse aus illegalem Ölverkauf geteilt, und Straßenposten hatten Extremisten gegen Schmiergeld passieren lassen.

Dass Letzteres auch in Beslan der Fall gewesen sein könnte, wollte auch Kommissionsmitglied Wladimir Kulakow nicht ausschließen. Hilfe erschöpfe sich nicht nur in „unmittelbarer Beteiligung an der Durchführung einer Aktion“. Vielmehr könne dieser Begriff auch verwendet werden, wenn jemand sie durch Nichterfüllung seiner Pflichten begünstige „oder sich dafür bezahlen lässt“.

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