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Die Hamburger Polizei deklariert die Innenstadt zum "Gefahrengebiet" und führt verdachtsunabhängige Kontrollen durch.

© dpa

Hamburg: Polizei deklariert Innenstadt als "Gefahrengebiet"

In den vergangenen Wochen geriet die Hamburger Polizei immer wieder mit linken Demonstranten aneinander. Jetzt will der Polizeipräsident seine Beamten mit einer ungewöhnlichen Maßnahme schützen. Kritiker sehen darin rechtsstaatliche Probleme.

Es rumort in der Hansestadt, deren Bewohner gerne von sich behaupten, in der „schönsten Stadt der Welt“ zu leben. Seit Samstag sind weite Teile der Hamburger Innenstadt von der Polizei als „Gefahrengebiet“ deklariert. Die Polizei in Hamburg zeigt verstärkt Dauerpräsenz in den Stadtteilen Altona, St. Pauli und im Schanzenviertel. Besonders Personen aus dem linksautonomen Spektrum werden verdachtsunabhängig angehalten, die Personalien sowie Taschen kontrolliert.

Hamburger Polizei deklariert "Gefahrengebiet" in der Innenstadt

Mehrere Attacken auf die Polizei in den vergangenen Monaten haben den Polizeipräsidenten Wolfgang Kopitzsch bewogen, diese ungewöhnliche Maßnahme zu ergreifen und ganze Stadtteile auf vorerst unbegrenzte Zeit verstärkt zu kontrollieren. Kurz vor Weihnachten kam es zu schweren Ausschreitungen rund um das linke Kulturzentrum „Rote Flora“. Ein Angriff auf die Davidwache an der Reeperbahn, bei dem am letzten Dezember-Wochenende drei Beamte von einer Gruppe Vermummter schwer verletzt wurden, ließ den Geduldsfaden bei der Polizei endgültig reißen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft Hamburg teilte mit, es sei „eine Dimension erreicht, die einen Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich machen könnte“. Am Neujahrstag protestierten Hunderte Beamte vor dem Hamburger Rathaus und forderten „mehr Respekt und Anerkennung“. Jetzt also die „Gefahrengebiete“.

Opposition kritisiert Eingriff in persönliche Freiheitsrechte

Kritiker sprechen von einem unverhältnismäßigen Eingriff in persönliche Freiheitsrechte. Die Bürgerschaftsfraktion der Linken erwägt gar eine Klage gegen die Maßnahme. „Unserer Ansicht nach ist diese Maßnahme vor allem deshalb rechtsstaatlich problematisch, weil allein die Polizei über ihre Einrichtung und Dauer entscheidet und dabei von niemandem wirklich kontrolliert wird“, sagte die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider.

Seit 2005 besitzt die Polizei in Hamburg die gesetzliche Möglichkeit, Teile der Stadt anlassbezogen dementsprechend auszuweisen. Dieser Schritt wurde bereits mehrere Male im Zuge von angekündigten Demonstrationen und beispielsweise auch für die Verfolgung und Eindämmung von Drogenkriminalität angewandt – aber bisher nie unbefristet.

Polizei will mit Maßnahme ihre Beamten schützen

Erste Bilanz der Maßnahme für den Zeitraum bis Sonntagmorgen: 263 überprüfte Menschen, 62 Aufenthaltsverbote, drei Strafanzeigen wegen möglichen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, zwei Platzverweise und eine Ingewahrsamnahme. Bei den Kontrollen seien Schlagwerkzeuge, Pyrotechnik und schwarze Masken sichergestellt worden, teilte die Polizei mit. Ein Sprecher sagte, es sei nicht beabsichtigt, Anwohner oder Besucher übermäßig zu belasten. „Gleichwohl wollen wir durch diese Maßnahme sehr deutlich machen, dass die Polizei Hamburg alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, um Leib und Leben ihrer Beamten zu schützen.“

Auch Grüne und FDP zweifeln an der Verhältnismäßigkeit der Aktion. Von der SPD erhielt die Polizeiführung dagegen Rückendeckung. Der innenpolitische Sprecher Arno Münster sagte: „Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Polizei den rechtlichen Rahmen konsequent ausschöpft, um neuen Übergriffen präventiv entgegenzuwirken.“ Das Thema wird am heutigen Montag auch in einer Sondersitzung des Innenausschusses zur Sprache kommen. Dort wird auf Antrag der Grünen noch einmal über die Krawalle kurz vor Weihnachten debattiert, bei denen es rund 600 Verletzte gegeben hatte.

CDU fordert Einschränkung des Demonstrationsrecht

Die CDU hatte als Folge der Ausschreitungen eine Verschärfung des Demonstrationsrechts gefordert. Demzufolge plädiert die Hamburger Union dafür, dass diejenigen, die Demonstrationen anmelden, auch für Folgekosten haftbar gemacht werden können. Außerdem möchte die CDU der Polizei gestatten, Gummigeschosse einzusetzen und Gewalttäter mit Fahrverboten zu belangen. Seitens der Polizeigewerkschaften wurde die Forderung erhoben, die Beamten mit sogenannten Elektroschockern auszustatten. Inzwischen ist eine Belohnung für Hinweise auf Täter, die Polizeibeamte schwer verletzt hatten, in Höhe von 10000 Euro ausgesetzt.

Und noch ein Konfliktpunkt zeichnet sich ab: Das Bezirksamt Mitte hat die Bewohner eines seit Oktober 2011 errichteten Occupy-Camps aus baurechtlichen Gründen und wegen brandpolizeilichen Bestimmungen aufgefordert, Anfang der Woche das bisher geduldete Protestlager zu räumen. Die dortigen Aktivisten setzen allerdings auf Verhandlungen. Das Camp ist das bundesweit letzte verbliebene seiner Art, entstanden aus der 2011 in New York aufbegehrenden Occupy-Bewegung, die sich als Folge der globalen Bankenkrise organisiert hatte. (mit dpa)

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