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Hamburg: Schwarz-Grün und die Rote Flora

Gewaltorgie oder friedliche Straßenparty? Das Schanzenfest stellt Hamburgs Koalition an diesem Samstag vor eine Belastungsprobe.

Die Polizei in Hamburg ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Rund 2000 Beamte, darunter Unterstützung aus anderen Bundesländern, sollen dafür sorgen, dass es nach dem seit 21 Jahren im Schanzenviertel gefeierten Schanzenfest am heutigen Samstagabend zu keiner Gewaltorgie kommt wie in den Jahren zuvor, als spätestens mit einsetzender Dämmerung brennende Barrikaden errichtet wurden und heftige Straßenschlachten tobten.

Auseinandersetzungen in dem Stadtteil sind nicht ungewöhnlich und stets ein Politikum. Das Fest wird durch das Bezirksamt Altona ohne einen offiziellen Anmelder geduldet. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) wollte es ursprünglich verbieten und hätte damit womöglich erst recht provoziert und gewaltbereite Aktivisten auf den Plan gerufen.

Im Blickpunkt des linksgerichtet politisierten Viertels ist die sogenannte „Rote Flora“, ein selbst verwaltetes, besetztes Veranstaltungszentrum. Mit der seit geraumer Zeit zu beobachtenden wachsenden Veränderung des Straßenbildes in Form von Modernisierungen, wobei alteingesessene Ladenbesitzer durch Boutiquen ersetzt sowie Mietwohnungen zunehmend zu Eigentumswohnungen werden, wächst auch das Protestpotenzial gegen die „Gentrifizierung“, die Veredelung des Stadtteils. Heftig wird aktuell beispielsweise diskutiert, ob eine McDonalds-Filiale, die vor wenigen Tagen eröffnet hat und seitdem schon mehrmals von der Polizei geschützt werden musste, ins Viertel hineinpasst. Gehobene Gastronomie, Immobilienbüros, Modegeschäfte im höheren Preissegment sehen sich zunehmend einer Gegnerschaft gegenüber, die ihren Unmut verstärkt mit eingeworfenen Scheiben bezeugte.

Darauf reagierte die Polizei jetzt mit dem Installieren von Überwachungskameras bei Privatwohnungen und Büros mit Blick auf die Straße. Während die Beamten von einem zulässigen Mittel der Strafverfolgung sprechen, haben SPD und Linke Bauchschmerzen bei der Maßnahme. Selbst Rechtswissenschaftler Ulrich Karpen, früher CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, sieht darin einen verfassungsrechtlich unzulässigen Verstoß. Aus Bayern sind Urteile bekannt, die das Verwenden solchen Videomaterials vor Gericht ausschließen. Der Regierungspartner der CDU, die GAL, protestierte kurz, hat aber das Abmontieren der Kameras nicht erreichen können.

Unterdessen haben Brandanschläge auf neun Autos in der Nacht zu Donnerstag mit einem Schaden von rund 400 000 Euro die Stimmung zusätzlich angeheizt. Die Polizei geht bei den Taten, verteilt auf das gesamte Stadtgebiet, von politischen Motiven aus.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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