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Minderheitsregierung: Die Vorsitzende der Konservativen, Erna Solberg (r.), und die Chefin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei, Siv Jensen.

© AFP

Norwegen: Hand am Lenkrad

In Oslo regiert künftig die rechtspopulistische Fortschrittspartei in einer Minderheitsregierung mit den Konservativen der künftigen Ministerpräsidentin Erna Solberg.

Zu Beginn der vergangenen Woche stand es fest: Die rechtspopulistische Fortschrittspartei wird in Norwegen erstmals Regierungspartner. Die künftige Ministerpräsidentin Erna Solberg von den Konservativen und Fortschrittspartei-Chefin Siv Jensen präsentierten die Koalitionserklärung des Minderheitskabinetts, das eine enge Zusammenarbeit mit Liberalen und Christlicher Volkspartei vereinbart hat. „Wir haben vieles durchsetzen können, was in die richtige Richtung weist“, fasste Siv Jensen das 75-seitige Papier zusammen. Es werde zu spüren sein, dass die Fortschrittspartei die „Hand am Lenkrad“ habe.

Die Meinungen darüber, inwieweit die Fortschrittspartei der kommenden Regierung ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken kann, sind in Norwegen allerdings geteilt. So hatten es die Rechtspopulisten schon in den Sondierungsgesprächen nicht geschafft, zwei ihrer Kernanliegen durchzusetzen, wonach Ölbohrungen auf den Lofoten möglich sein sollen und künftig ein größerer Anteil der Einnahmen aus dem Öl-Fonds zugunsten des Staatshaushalts angezapft werden kann. In einer Reihe anderer, für die Fortschrittspartei wichtiger Fragen zeichneten sich allerdings schon vor der Wahl Übereinstimmungen mit Solbergs Konservativen ab. Vor allem betrifft das die nun festgeschriebenen Pläne, Steuern zu senken, Bürokratie abzubauen und mehr Privatisierungen im öffentlichen Bereich zuzulassen. So sollen die Vermögensteuer abgeschafft, die Öffnungszeiten im Einzelhandel ausgedehnt und mehr Schulen und Gesundheitseinrichtungen in freier Trägerschaft zugelassen werden.

Am deutlichsten erkennbar ist die Handschrift der Fortschrittspartei bei der Kriminalitätsbekämpfung – so soll die bisher grundsätzlich unbewaffnete Polizei künftig Waffen tragen können – sowie der Einwanderungs- und Asylpolitik. Das Papier sieht allerdings keine grundsätzlichen Änderungen, sondern eine weitere Verschärfung der Ausländerpolitik vor, die Regierungen unter bürgerlicher wie sozialdemokratischer Führung seit dem Beginn des vergangenen Jahrzehnts zunehmend restriktiv gestaltet hatten. So sollen die erst 2010 von Rot-Rot-Grün verschärften Bedingungen für die Familienzusammenführung noch strenger werden: Statt bisher vier Jahre muss ein Eingewanderter nun fünf Jahre Vollzeit-Arbeit oder Studium nachweisen können, ehe er Angehörige nachholen kann. Ausbauen will man die ebenfalls unter Rot- Rot-Grün verstärkte Praxis, mit Ländern vor allem in Afrika Rückführungsabkommen zu schließen. Für das Ziel, geschlossene Asylbewerberheime beispielsweise für abgelehnte Bewerber zu errichten, will man bereits bestehende Gesetze nutzen. Kein Gehör hat Siv Jensens Partei indes für den Plan gefunden, solche Asylbewerberheimen in Afrika statt in Norwegen zu errichten.

Nach jüngsten Meinungsumfragen hatte die Anhängerschaft der Fortschrittspartei von einer Regierungsbeteiligung offenbar mehr erwartet. Die Zustimmung bei den Wählern sank demnach von rund 16 Prozent bei der Wahl Mitte September auf 13 Prozent.

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