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Politik: Harmonisch bis auf Weiteres

In Peking lobt Steinmeier den neuen Frieden – Berlins Doppel-Außenpolitik nützt aber nur Chinas Führung

Nur das Wetter spielte nicht mit bei diesem China-Besuch, den Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Reise der Entspannung und Normalisierung geplant hatte. Während der deutsche Vizekanzler im Zhongnanhai, dem streng bewachten chinesischen Regierungssitz, mit Ministerpräsident Wen Jiabao die neue Harmonie zwischen Peking und Berlin beschwor, verdunkelte sich der Pekinger Himmel zum stärksten Gewitter des Jahres. Immerhin konnte Steinmeier rhetorisch auf die Unbill des Wetters reagieren: „Ich freue mich, dass das Fundament der bilateralen Beziehungen doch so breit und belastbar ist, dass es schon mal die Stürme aushält, die unsere Beziehungen letztes Jahr umgeben haben“, erklärte er.

Gemeint war damit natürlich das Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem Dalai Lama, das im Herbst 2007 zu einer Krise im Verhältnis zwischen China und Deutschland geführt hatte. Pekings KP-Mächtige, die in dem Empfang des Exiltibeters eine Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten sahen, reagierten mit wütenden Protesten und kühlten die Beziehungen zu Berlin ab. Besuche von Ministern und Parlamentsdelegationen wurden kurzfristig abgesagt, der Menschenrechtsdialog und andere bilaterale Foren eingefroren.

Dass nun ausgerechnet Steinmeier bei seinem Besuch in China das Ende der Krise und eine Normalisierung der Beziehungen verkünden durfte, ist kein Zufall. In Peking hatte man sehr genau registriert, dass Steinmeier und die SPD sich in der Tibetfrage vom Kanzleramt abgesetzt haben. Steinmeier hatte Merkels Treffen mit dem Dalai Lama öffentlich als „Fehler“ und „Schaufensterpolitik“ kritisiert.

In China freute man sich über diese Unterstützung. Mit ausgesuchter Freundlichkeit wurde Steinmeier deshalb in Peking empfangen. Der Außenminister sei ein „Schlüsselmann“ in den deutsch-chinesischen Beziehungen, lobte die Schanghaier „Orient Morgenzeitung“. Auch Pekings Regierende gaben sich herzlich. „In der Not erkennt man seine Freunde“, sagte Premier Wen Jiabao und meinte damit nicht nur die großzügigen Spenden aus Deutschland für die Erdbebenopfer in Sichuan. Amtskollege Yang Jiechi bezeichnete Steinmeier, der am Samstag zu einer Konferenz über Urbanisierung und anschließend zu einem Besuch in das Erdbebengebiet in Sichuan weiterreiste, als „Freund“. Er habe sich „persönlich sehr für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen eingesetzt“ und geholfen, die „schweren Zeiten“ zu überwinden, sagte Yang.

Steinmeier selbst bezeichnete die politischen Gespräche in China als Erfolg. Man habe „viele konkrete Ergebnisse“ erzielt, so der Außenminister. Peking habe nicht nur zugesagt, die unterbrochenen regelmäßigen bilateralen Gespräche über Menschenrechte, Rechtsstaat und über den strategischen Dialog mit Deutschland wieder aufzunehmen. Auch eine „engere Kooperation“ mit Peking in der Klimapolitik und in der Entwicklungshilfe in Afrika seien vereinbart worden, betonte er.

Steinmeiers Besuch, das wurde in den vergangenen beiden Tagen deutlich, hat die Atmosphäre zwischen Peking und Berlin entspannt. Die politischen Probleme sind jedoch nicht gelöst, allenfalls vertagt. In der CDU wird man auch in Zukunft den Dalai Lama empfangen, den man als Grant für eine friedliche Lösung des Tibet-Konflikts sieht. Merkel hat nicht ausgeschlossen, das geistliche Oberhaupt der Tibeter in Zukunft wieder zu treffen. Auch im Falle anderer Konfliktthemen, etwa der Produktpiraterie oder der Verfolgung von Bürgerrechtlern, wird Merkel klare Worte gegenüber Peking finden.

Im Grunde hat Deutschland derzeit zwei China-Politiken: eine werteorientierte Außenpolitik der CDU und Merkels, die Menschenrechtsverletzungen und Probleme in den Beziehungen offen anspricht. Und eine Interessenpolitik der SPD unter Steinmeier, der – in den Fußstapfen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder – vor allem die politischen und wirtschaftlichen Interessen im Blick hat und auf einen leisen Dialog setzt.

Doch dabei geht es weniger um den richtigen Umgang mit China als um Innenpolitik: China polarisiert die Deutschen, und Merkel und Steinmeier wollen sich den Wählern als die besseren Außenpolitiker präsentieren. Im Außenministerium versucht man die Dissonanzen mit dem Kanzleramt zwar als strategischen Vorteil zu verkaufen: „Die Kanzlerin gewinnt in der öffentlichen Meinung, weil sie als Kämpferin für die Menschenrechte gesehen wird. Und der Minister gewinnt, weil er anschließend die Beziehungen wieder repariert“, sagte ein Diplomat.

In Wirklichkeit schwächen Steinmeier und Merkel sich jedoch gegenseitig,weil Berlin gegenüber China nicht mit einer Stimme spricht. Pekings Diplomatie wird das zu nutzen wissen. Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen präsentiert China sich gerne als Freund Deutschlands. Doch spätestens beim nächsten Besuch des Dalai Lama in Berlin dürfte es mit der Harmonie wieder vorbei sein.

Harald Maass[Peking]

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