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Politik: „Hartz IV ist für viele eine Lebenslüge“

Teile der SPD machen die Politik für sozialen Abstieg verantwortlich – die Union fordert weitere Einschnitte

Von Antje Sirleschtov

Berlin - In der Debatte um soziale Unterschichten haben mehrere SPD-Politiker die eigene Partei zu mehr Ehrlichkeit aufgefordert. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Stefan Hilsberg bezeichnete die Hartz-IV-Politik der rot-grünen Bundesregierung für viele als eine „Lebenslüge“. Dem Tagesspiegel sagte Hilsberg, „wir haben den Menschen vorgegaukelt, dass mit Fordern und Fördern jeder den ersten Arbeitsmarkt erreichen kann“ und Steuersenkungen für die Unternehmen die Probleme lösen werden. Für Millionen Menschen sei das jedoch nicht die Realität. „Gerhard Schröder hat zu kurz gedacht“, sagte Hilsberg. Es gereiche deshalb dem SPD-Chef Kurt Beck zur Ehre, dass er jetzt das Thema Unterschichten in den Fokus der Diskussion gebracht hat. „Wir sind eine linke Volkspartei, und es ist unsere Aufgabe, die Ursachen von sozialer Ausgrenzung und Verwahrlosung zu ergründen und dagegen anzukämpfen.“

Am Wochenende hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil im Tagesspiegel eine „neue Philosophie des Sozialstaates“ angemahnt. Mit einem „vorsorgenden Sozialstaat“ wolle die SPD mehr Lebenschancen für alle schaffen, sagte er. Der SPD-Abgeordnete Ottmar Schreiner hatte seine Partei zum „Umsteuern“ aufgefordert und scharfe Kritik an der Hartz-Arbeitsmarktreform des früheren SPD-Kanzlers Schröder geübt. Der Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner (SPD), wie Schreiner Mitglied der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, forderte seine Partei auf: „Wenn es um die Probleme der sogenannten Unterschicht geht, dann müssen wir uns ehrlich machen“. Es gebe „sehr viele Menschen in Deutschland ohne Chance auf sozialen Aufstieg“.

Für unter 25-Jährige ohne ausreichenden Schulabschluss forderte Brandner „sehr viel mehr Initiativen“ zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. „Wir dürfen uns nicht mit den Sozialhilfekarrieren abfinden“, sagte er. Gleichzeitig erneuerte Brandner seine Forderung, einen „öffentlichen Arbeitsmarkt“ zu schaffen, in dem vor allem ältere Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung finden. Menschen über Jahre hinweg nur den Lebensunterhalt zu finanzieren, bezeichnete er als „inhuman“.

In der aktuellen Debatte um Arbeitsmarktreformen drängt die Union die SPD dazu, Einschnitte bei den Regeln zu Hartz IV mitzutragen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla forderte den Koalitionspartner auf, weiteren Kürzungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) zuzustimmen. Der wirtschaftspolitische Sprecher, Laurenz Meyer (CDU), sagte, „es gibt falsche Anreize, die wir korrigieren müssen“.

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