zum Hauptinhalt

Hartz-IV-Kritik: Kanzlerin distanziert sich von Westerwelle

Mit seiner Kritik an der Hartz-IV-Debatte hat FDP-Chef Westerwelle eine Welle der Empörung ausgelöst. Bundeskanzlerin Merkel geht auf Distanz. Die SPD fordert eine Entschuldigung. Westerwelle lehnt ab.

FDP-Chef Guido Westerwelle hat mit seiner Schelte an der Hartz-IV-Debatte keine Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte dazu am Freitag in Berlin: „Das ist sicherlich weniger der Duktus der Kanzlerin.“ Sie fügte hinzu: „Es ist sicher individuell unterschiedlich, die Sprachführung, die da jeder wählt.“

Westerwelle hatte erklärt, die Hartz-IV-Debatte trage „sozialistische Züge“.  Man dürfe nicht nur auf diejenigen sehen, die auch in Zukunft Solidarität brauchen, sagte der Außenminister. Vielmehr müsse auch auf die geachtet werden, „die dies alles erarbeiten“. Dies müsse in Deutschland auch noch gesagt werden dürfen. Ansonsten drohe im Lande eine „sozialistische Diskussion“, die er nicht akzeptieren könne.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte im ZDF: „Wer so etwas sagt, hat die Lebensrealität der Menschen völlig aus dem Auge verloren. Ich finde, da ist eine Entschuldigung fällig.“ Grüne und Linke warfen Westerwelle eine Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland vor. Gewerkschaften und Sozialverbände sehen in seinen Äußerungen eine Diffamierung von Millionen Langzeitarbeitslosen.

Eine Entschuldigung für seine Äußerungen lehnte Westerwelle ab. Zu seiner Wortwahl sagte er: „Ich spreche die Sprache, die verstanden wird.“ Stattdessen fordert er seinerseits eine Entschuldigung: „Diejenigen, die die Leistungsbereitschaft der Bürger mit Füßen treten, sollten sich entschuldigen.“

Westerwelle hatte nach dem Karlsruher Urteil zu Hartz IV unter anderem beklagt, es scheine in Deutschland „nur noch Bezieher von Steuergeld“ zu geben, aber „niemanden, der das alles erarbeitet“. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Die FDP spielt gnadenlos Geringverdiener gegen Arbeitslose aus und zündelt so am sozialen Frieden im Land.“ Westerwelle schwebe auf einer wattigen Luxuswolke. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, kritisierte: „Kaum brechen die Umfragewerte zu Recht ein, keilt und tritt Westerwelle nach den Schwächsten in der Gesellschaft.“

Grünen- Fraktionschefin Renate Künast kritisierte Westerwelle scharf. „Wenn er in Zusammenhang mit Hartz IV von spätrömischer Dekadenz spricht, beleidigt Herr Westerwelle Millionen Langzeitarbeitslose in Deutschland“, sagte sie „Passauer Neuen Presse“.

Westerwelle hatte argumentiert, wer „anstrengungslosen Wohlstand“ verspreche, lade zu „spätrömischer Dekadenz ein“.  Der Vizekanzler sagte, kleine und mittlere  Einkommen dürften nicht länger die Melkkühe der Gesellschaft sein. „Wer arbeitet, darf nicht mehr und mehr zum Deppen der Nation gemacht werden.“ Für viele Linke sei Leistung ja beinahe eine Form von Körperverletzung. „Wenn wir die Leistung der Mittelschicht länger ignorieren, ist die Gefahr groß, dass unser Land scheitert.“

Heftige Kritik kam auch von den Gewerkschaften. "Jetzt lässt Guido Westerwelle die Maske fallen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der „Passauer Neuen Presse“. Sozialleistungen seien keine Gnadengabe, sondern Verpflichtung eines demokratischen Rechtsstaats, der die Menschenwürde garantiere. Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, sagte: „Mit seiner verbalen Attacke verhöhnt der FDP-Parteivorsitzende  Guido Westerwelle Millionen Menschen die Hartz-IV beziehen ebenso wie diejenigen, die für Hungerlöhne arbeiten.“

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schloss im ZDF höhere Kosten für den Staat durch das Urteil nicht aus. Diese könnten vor allem dadurch entstehen, dass der Richterspruch den Berechnungsmodus der Hartz-IV-Sätze für Kinder infrage stelle. „Das kann die Sache teurer machen und das ist dann auch richtig“, sagte sie. (sf/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false