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Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU, links) über die Äußerung von CSU-Chef Horst Seehofer zur "Herrschaft des Unrechts" in Deutschland: "Das ist rechtlich falsch und auch politisch nicht hilfreich."

© dpa

"Herrschaft des Unrechts": Heilmann: "Seehofer heizt die aufgeladene Stimmung an"

Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) warnt im Interview vor einer Regierungskrise und einer größeren Distanz zwischen Politik und Bevölkerung.

Herr Heilmann, laut Horst Seehofer leben wir unter der „Herrschaft des Unrechts“. Hat er Recht?

Nein. Das ist rechtlich falsch und auch politisch nicht hilfreich.

Inwiefern?

Rechtlich falsch, weil kein Recht gebrochen wird. Äußere Gefahren werden an den europäischen Außengrenzen abgewehrt und nicht an den innereuropäischen Grenzen. So ist es auch in der europäischen Verfassung, dem Lissabonner Vertrag, verankert. Daraus folgt, dass die europäischen Außengrenzen stärker geschützt werden und nicht die innereuropäischen geschlossen werden sollten. Wir sind uns zumindest in der großen Koalition ja einig, inklusive der CSU, dass die Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, reduziert werden muss. Das gelingt nur, wenn weniger Flüchtlinge illegal nach Europa kommen und nicht, indem Sie innerhalb Europas ein paar Grenzzäune bauen und Schlagbäume herunterlassen. Europa muss differenzieren, wen wir schützen müssen und wer jetzt nur das gegenwärtige Fenster nutzt und etwa aus Pakistan oder Afrika kommt. Einer Klage gegen die Politik der Bundesregierung, wie sie Seehofer angekündigt hat, gebe ich keine Chance.

Und was an der Äußerung ist politisch nicht hilfreich?

Horst Seehofer trägt mit solchen Äußerungen massiv zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. Er vermittelt den Eindruck, Deutschland könnte einfach seine Grenzen dicht machen und dann hätte sich das Problem erledigt. Aber so ist es nicht. Bloß weil ein Land seine Grenzen schließt, gibt es ja nicht weniger Flüchtlinge. Die Menschen lassen sich von einer geschlossenen Grenze nach den Strapazen, die sie durchgemacht haben, nicht aufhalten. Das haben wir bereits im Jahr 2013 gesehen: Da kamen schon vor drei Jahren ja auch rund eine Million, die meisten nach Italien. Einige davon sind am Oranienplatz gelandet. Flüchtlinge haben viel durchgemacht. Die gehen nicht einfach wieder. Deutschland kann das leider nicht alleine lösen. Seehofer heizt eine ohnehin aufgeladene Stimmung unnötig an.

Warum tut er das?

Gute Frage. Rational ist das, was Seehofer macht, nicht. Natürlich ist der Druck in Bayern sehr groß, weil dort sehr viele Flüchtlinge ankommen und der Druck in der Bevölkerung besonders groß ist. Aber mit solchen Äußerungen tut er sich und auch seinen Zielen keinen Gefallen.

CSU-Chef Horst Seehofer erntet für seine Kritik, Deutschland befinde sich in der "Herrschaft des Unrechts" viel Kritik - auch aus der CDU.

© Michael Kappeler/dpa

Treibt er damit ihre Wähler direkt in die Arme der AfD

Die AfD ist in meinen Augen bei allem, was diese Partei an absurden Thesen von sich gibt, noch das kleinere Problem. Viel entscheidender ist, dass durch Verunsicherung die Wahlbeteiligung weiter sinken wird. Die Distanz zwischen Bevölkerung und Politik wird dadurch immer größer. Daran trägt natürlich nicht eine Seehofer-Äußerung allein die Schuld, aber sie reiht sich ein.

Sollte sich die CSU aus der Bundesregierung zurückziehen?

Das muss letztlich die CSU selbst entscheiden. Klar ist aber, dass wir jetzt neben einer Flüchtlingskrise nicht auch noch eine Regierungskrise brauchen können. Denn um eine Lösung auf europäischer Ebene zu erreichen, muss Deutschland mit einer Stimme sprechen. Eine Regierungskrise würde die Verhandlungsposition Deutschlands extrem schwächen. Und wenn wir keine europäische Lösung zuwege bringen, ist das nicht nur ein Problem Deutschlands, es kann zu einer substanziellen Schwächung ganz Europas führen. Damit beschädigen wir das Fundament unserer Freiheit, unseres Friedens und unseres Wohlstandes.

Setzt Seehofer mit seinen Äußerungen nicht auch die Opfer echter Unrechtsstaaten, wie der DDR, herab und spielt damit auch auf die Biografie von Angela Merkel in der DDR an?

So habe ich Seehofers Äußerungen bei allen Meinungsunterschieden nicht verstanden. Er spricht ja nicht von einer Diktatur oder einem Terrorregime. Ich unterstelle Horst Seehofer ja auch nichts Böses.

Thomas Heilmann ist CDU-Politiker und Berliner Justizsenator. Das Gespräch mit ihm führte Christian Tretbar.

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