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Politik: Held ohne Chancen

Die Opposition in Beirut hat einen starken Führer – Premier werden kann er nicht

Von Frank Jansen

Er ist eine der Schlüsselfiguren des Umbruchs in Libanon. Ohne den Drusenfürsten Walid Dschumblatt wird die Krise nicht zu beenden sein, die nach der Ermordung des ehemaligen Premierministers Rafik Hariri und dem durch Massenproteste erzwungenen Rücktritt der Regierung das Land erschüttert. Dschumblatt, auch Vorsitzender der Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), wird von Politik und Medien als Anführer der Opposition bezeichnet, der antisyrischen Kräfte im Parlament und auf der Straße.

Aus Angst, wegen seiner antisyrischen Politik auch einem Anschlag zum Opfer zu fallen, wie sein Vater Kamal 1977 und jetzt Hariri, hält sich Walid Dschumblatt weit gehend in seinem Palast im Schuf-Gebirge auf – oder reist ins Ausland. Die Residenz im Dorf Moukhtara bewachen junge Männer mit Kalaschnikow-Maschinengewehren. Am Sonnabend brach Dschumblatt zu eine Reise nach Kuwait, Saudi-Arabien und Russland auf. Der Drusenfürst hofft, in den drei Ländern Unterstützung für die Forderungen der libanesischen Opposition zu bekommen.

Zum Ende der Woche hat Dschumblatt in einem libanesischen Fernsehsender die drei zentralen Forderungen bekräftigt, die erfüllt sein müssen, bevor auch nur ein Politiker der Opposition aus Drusen, antisyrischen Christen und weiteren Gruppierungen einer neuen Regierung beitritt. Dschumblatt verlangt eine Untersuchungskommission, die den Hintergrund des am 14. Februar verübten Bombenanschlags auf Hariri klären soll. Außerdem sollen die Chefs der libanesischen Sicherheitsbehörden abgelöst werden. Dies gilt insbesondere für den Geheimdienst, den die Opposition für einen Handlanger syrischer Interessen hält. Und drittens: Syrien muss einen verbindlichen Zeitplan für den vollständigen Abzug seiner 14 000 Soldaten und der unzähligen Geheimdienstagenten vorlegen. Syriens Präsident Baschar el Assad kündigte am Samstag jedoch nur an, dass Syrien die Truppen schrittweise zunächst in die Bekaa-Ebene im Osten Libanons und dann an die Grenze zu Syrien verlegen werde. Einen Zeitplan nannte er jedoch nicht. In Beirut reagierte die Bevölkerung ablehnend. Assad wolle nur Zeit gewinnen, lautet eine verbreitete Einschätzung.

Die prominente Rolle, die Dschumblatt spielen kann, verdankt er vor allem der Schwäche der verbündeten Christen. Ihre zahlenmäßig stärkste Gemeinschaft, die Maroniten, kann als Führungsfigur nur das 84 Jahre alte Kirchenoberhaupt Nasrallah Sfeir präsentieren. US-Präsident George W. Bush wird den Syrien-Gegner Sfeir Mitte März empfangen. Damit werden die Maroniten aufgewertet, doch Sfeir kann in seinem Alter kaum mehr eine zukunftsträchtige Führungsrolle einnehmen. Dschumblatt hingegen ist Ende 50.

Allerdings sieht auch er sich mit einem Handicap konfrontiert. Aufgrund der konfessionellen Aufteilung der wichtigsten Staatsämter kann ein Druse höchstens Minister werden, wie es Dschumblatt auch schon war. Der Premier ist immer ein Sunnit, der Staatspräsident ein Maronit. „Langfristig werden wir über den konfessionellen Proporz nachdenken müssen“, sagte der Sprecher der PSP, Rami El Rayess, dem Tagesspiegel. Aber dafür sei die Zeit nicht reif. Eine solche Debatte, warnt El Rayess, „bedeutet in der kritischen Phase, in der wir uns jetzt befinden, nur noch mehr Unruhe für den Libanon“.

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