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Politik: Helden wie ihr

SCHRÖDER & FISCHER

Von Bernd Ulrich

Gerhard Schröder und Joschka Fischer treten 2006 wieder an – weil sie Deutschland in eine Krise geführt haben, die so tief ist, dass einzig sie beide das Land wieder aus ihr herausführen können. Das könnte man sagen, wenn man böse wäre. Doch wer will schon böse sein. Und vor allem: naiv. Denn über das, was im Jahr 2006 sein wird, sagt dieser Winnetouund-OldShatterhand-Schwur wenig aus. Schließlich: Die Zeiten ändern sich schnell heutzutage und die Aspirationen dieser beiden Helden bekanntlich noch schneller.

Über das Hier und Heute hingegen erfährt man durch die Ankündigung von Fischer und Schröder eine ganze Menge. Zunächst das Profane: Es ist verdammt kompliziert, wenn nicht gar unmöglich, mit einiger Planungssicherheit das Amt des europäischen Außenministers anzustreben. Schon deshalb, weil man dafür exakt 24 Freunde in der EU braucht, nicht einen weniger. Schließlich herrscht in der EU der Konsens, und der ist ein unberechenbarer Herrscher. Die Sache bliebe jedoch auch deshalb heikel, weil der Endspurt um dieses Amt sich zeitlich mit dem nächsten deutschen Wahlkampf überschneidet, sowie, nicht zuletzt, weil die Joschkamania in Brüssel unbegreiflicherweise noch nicht ganz so ausgeprägt ist wie in Berlin.

Der zweite Grund für die Ankündigung zur Unzeit ist schon ein wenig beunruhigender. Schröder und Fischer sind offenbar der Meinung, dass es in ihren beiden Parteien niemanden gibt, der „es“ kann, der die Ämter so gut ausfüllen könnte wie sie. Und vor allem niemanden, der in der Lage wäre, im Jahr 2006 noch einmal zu siegen. Diese Skepsis gegenüber den eigenen Leuten scheint umso größer zu sein, als mittlerweile klar ist, was die Koalition vor sich hat: ihre schwerste Zeit. Denn die Reformen, an deren Erfolg sich die Regierungsparteien gekettet haben, werden enorme Fliehkräfte und Chaostendenzen im eigenen Lager hervorrufen. Da hätten auch weitere Personaldebatten äußerst gefährlich werden können.

Und damit ist man auch endlich bei den positiven Aspekten dieser Doppelkandidatur. Nach langem, sträflich langem Zögern haben sich Kanzler und Vizekanzler in der ersten Hälfte dieses Jahres anscheinend dazu entschlossen, einen einigermaßen ernsthaften Reformkurs einzuschlagen. Ihr Machtstreben hat also einen Gehalt bekommen, ihr Regieren einen Grund. Dafür will Fischer seine Wandlungslust bezähmen und Schröder seine Anflüge von Lustlosigkeit im Amt unterdrücken. Insofern darf man in ihren Ankündigungen durchaus einen anti-narzisstischen Impuls sehen.

Auf der anderen Seite darf man mutmaßen, dass der Wille zur innenpolitischen Reform nicht ihr einziges Motiv sein kann. Zumindest dürfte das Streiten um Rentenalter und Zahnersatz, um Gewerbesteuer und Meisterbrief als Energiequelle für die beiden kaum bis zum Jahr 2006 reichen. Denn Schröder wie Fischer befinden sich im Abendrot ihrer Karriere und am Ende ihres biografischen Motivationsbogens. Damit diese beiden political animals noch mal richtig in Fahrt kommen, werden sie einen möglichst harten Gegner brauchen, einen, dem man, wie Edmund Stoiber, die Plakette „gefährlicher Reaktionär“ anheften kann. Der Kanzler und sein Vize werden am Ende Roland Koch als gegnerischen Kanzlerkandidaten brauchen, um das Tier in sich anfeuern zu können, das Tier, vor dem die Union so fürchterliche Angst hat. Ja, Schröder und Fischer sind schon zwei echte Haudegen, sie fürchten weder Tod noch Teufel, sondern nur Angela Merkel, weil die weder Tod ist noch Teufel.

Gerhard Schröder wäre am Ende der nächsten Legislaturperiode übrigens fast 67. Aber das nur nebenbei.

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