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Koch

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Hessen: 98 Minuten für fünf Jahre - Kochs lange Regierungserklärung

Ob Hessens Ministerpräsident Koch sich für seine neue Amtszeit zu viel vorgenommen hat, wird sich erst in fünf Jahren zeigen. Seine Regierungserklärung war eher ein misslungener Start - und langweilte die Abgeordneten.

Eine Stunde und 38 Minuten brauchte Koch, um sein 32-seitiges Manuskript vorzutragen - anderthalb mal so viel, wie sich die Fraktionen zugebilligt hatten. Dabei hörten die Abgeordneten wenig Überraschendes, wie gelangweilte Mienen bei der Opposition und kaum mehr als pflichtschuldiger Beifall aus dem Regierungslager verrieten. Hohngelächter war noch der Gipfel emotionaler Reaktion.

Routiniert - immerhin war es Kochs vierte Grundsatzerklärung zu Beginn einer Legislaturperiode - umriss der Ministerpräsident zunächst die Grundlinien seiner "bürgerlichen Politik". An erster Stelle nannte er individuelle Freiheit und Eigenverantwortung, an zweiter eine "Kultur des Miteinanders", an dritter die Förderung von Wohlstand und Arbeitsplätzen. Dann skizzierte er die Umsetzung - angefangen vom Konjunkturprogramm, das der akuten Wirtschaftskrise begegnen soll, bis hin zum Schuldenabbau nach deren Bewältigung. Kochs Botschaft: Die Lage sei ernst, aber mit den geplanten Investitionen in Bildung und Infrastruktur habe Hessen alle Chancen.

Gerüchte um Wechsel Kochs nach Brüssel

"Blutleer und orientierungslos", urteilte Oppositionsführer Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) über die Rede des seit zwei Wochen wieder ordentlich gewählten Regierungschefs. Die Erklärung für den Mangel an Temperament fand Grünen-Chef Tarek Al-Wazir in dem - ausgerechnet an diesem Tag neu aufgebrachten - Gerücht über einen Wechsel Kochs nach Brüssel: "Es war 90 Minuten lang der Ruf: Ich bin ein Ministerpräsident, holt mich hier 'raus." Freilich wurde die Meldung der Zeitschrift "Stern" in Berlin und Wiesbaden umgehend dementiert.

Schäfer-Gümbel mochte ohnehin nicht nur über Kochs Zukunft reden, sondern auch über seine Vergangenheit: Stellenabbau im Landesdienst, mäßiges Abschneiden in Bildungstests, unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum buchte er als Negativposten auf der Bilanz von zehn Amtsjahren. Löcher fand er aber auch im Programm der kommenden fünf Jahre: CDU und FDP scheuten neue Wege in der Energieversorgung, schwiegen zur Armutsbekämpfung und zu individueller Förderung in der Schule. Als Gegner des Mindestlohns und Anhänger der Atomenergie hätten sie nicht einmal die gesellschaftliche Mehrheit - ihr Wahlsieg vom 18. Januar sei in Wahrheit ein "Denkzettel" für die SPD gewesen.

CDU: Unserem Land ist viel erspart geblieben

Beim Aufrechnen blieben Union und Liberale ihren Gegnern indes nichts schuldig. Die Fraktionschefs Christean Wagner (CDU) und Florian Rentsch (FDP) erinnerten SPD und Grüne an ihre vor knapp vier Monaten ausgehandelte Koalitionsvereinbarung. Damit hätte Schäfer-Gümbels Vorgängerin Andrea Ypsilanti Hessen in eine düstere Zukunft geführt: "Da ist unserem Land viel erspart geblieben", rief Wagner.

Vier Abgeordnete der Linken sparten sich die Regierungserklärung ganz. Sie verbrachten den Vormittag statt im Plenarsaal im Kelsterbacher Wald bei Frankfurt, wo die Polizei ein Camp von Gegnern des Flughafen-Ausbaus räumte. Dass CDU und FDP erbost reagierten, kommentierte Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen am Rednerpult mit Befriedigung: "Gott sei Dank können wir noch für Aufregung sorgen."

Wolfgang Harms[dpa]

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