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Hessen CDU: Thomas Mann ärgert Roland Koch

Sie war stets stolz auf ihre Geschlossenheit. Einen "Kampfverband" nannten ihre ehemaligen Vorsitzenden Dregger und Kanther die hessische CDU sogar. Doch auf dem Landesparteitag in Marburg wird es heute einen bei der Hessen-CDU ungewohnten Wettstreit geben.

Erstmals seit Jahrzehnten kandidieren bei den Listenaufstellungen für die Bundestags- und für die Europawahl prominente CDU-Politiker gegeneinander. Selbst die politische Konkurrenz scheint verwirrt. Grünen Geschäftsführer Kai Klose jubelt, endlich sei auch die CDU in der demokratischen Normalität angekommen; sein Parteichef, Tarek Al-Wazir, kommentiert die Entwicklung dagegen als Zeichen für die bröckelnde Machtbasis von Parteichef Koch. Wahrscheinlich ist beides richtig.

Thomas Mann, der als Erster aufbegehrte, ist wahrlich kein Rebell. Der 63-Jährige sitzt seit 1994 im Europäischen Parlament und gilt als ordentlicher Arbeiter. Der Vorbereitungsausschuss der Partei hat ihn nur für Platz vier der Liste vorgesehen, das reicht selbst bei einem guten CDU-Ergebnis in Hessen nicht für den Wiedereinzug ins Brüsseler Parlament. Deshalb bewirbt sich der Europaabgeordnete in einer Kampfabstimmung um die Spitzenkandidatur. Für die ist der streitbare Landtagsabgeordnete Clemens Reif, 60, nominiert.

Der Unternehmer aus Nordhessen fällt gelegentlich mit markigen Zwischenrufen auf; er gehörte zu den wenigen Unionspolitikern, die den Parteiausschluss des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann öffentlich kritisiert hatten. Reif passt also zu dem Profil, das der hessische CDU-Landtagsfraktionschef Christean Wagner der Bundes-CDU als Ausweg aus dem gegenwärtigen Stimmungstief empfiehlt. In einem Essay forderte Wagner in der „Welt“ Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die Rolle einer „moderierenden Präsidialkanzlerin“ aufzugeben, sie sei jetzt als „Parteiführerin“ gefragt. Nur wenn die CDU wieder das „Alleinstellungsmerkmal für wertkonservative Politik“ besetze, sei bei der Bundestagswahl eine bürgerliche Mehrheit für CDU und FDP zu erreichen. So habe die Parteiführung die Vertriebenenpräsidentin und CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach nicht entschieden genug gegen ungerechtfertigte Kritik in Schutz genommen. Führende Unionspolitiker hätten zudem in der Krise die Stammwähler „überfordert“, weil sie unbedarft „Verstaatlichung“ und „Enteignung“ das Wort geredet hätten, kritisiert Wagner. Die Wahl von Clemens Reif zum Spitzenkandidaten für Europa könnte vor diesem Hintergrund doch noch zu einer Richtungswahl werden, zumal sein Gegenkandidat, der Europaabgeordnete Mann, von den Sozialausschüssen unterstützt wird.

In der Vergangenheit hatte der Landesvorsitzende, Ministerpräsident Roland Koch, solche Kampfkandidaturen auf Landesebene stets zu verhindern gewusst, durch moderierende persönliche Gespräche. Nach Einschätzung der Landtagsopposition hat er dazu nicht mehr die Kraft. „Seine Basis bröckelt“, sagt SPD- Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. CDU- Fraktionsgeschäfts- führer Axel Wintermeyer widerspricht: „Wenn es keine Kampfkandidaturen gibt, sind wir die Kaderpartei, gibt es sie, sind wir angeblich uneinig!“ Die für die hessische CDU ungewohnten Kampfkandidaturen mögen noch als Zeichen der Normalität durchgehen. Es gibt jedoch weitere Anzeichen für die schwindende Macht des einst unumstrittenen Landesvorsitzenden Koch. Bei der geheimen Wiederwahl zum Ministerpräsidenten am 5. Februar hatten ihm vier Landtagsabgeordnete des eigenen Lagers ihre Stimme verweigert, die jüngste Kabinettsbildung war von öffentlicher Kritik prominenter Parteifreunde begleitet worden, aus Unmut über die Entlassung von Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel traten dessen Töchter und ein Schwiegersohn aus der CDU aus.

Mit den schlechten CDU-Ergebnissen bei den Landtagswahlen 2008 (36,8 Prozent) und 2009 (37,2 Prozent) hat Roland Koch offenbar den Nimbus des Unbesiegbaren und Unersetzlichen verloren. Dass die Partei bei der nächsten Landtagswahl 2014 noch einmal mit ihm als Spitzenkandidaten ins Rennen geht, gilt seitdem als eher unwahrscheinlich.

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