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Politik: Hessens Grüne: Ohne Öko-Zeigefinger

Hessens Grüne wollen das Thema Umweltschutz nicht länger mit erhobenem Zeigefinger artikulieren. Bei einer Mitgliederversammlung am Sonnabend in Obervellmar bei Kassel verabschiedeten sie fast einstimmig ein neues Programm.

Hessens Grüne wollen das Thema Umweltschutz nicht länger mit erhobenem Zeigefinger artikulieren. Bei einer Mitgliederversammlung am Sonnabend in Obervellmar bei Kassel verabschiedeten sie fast einstimmig ein neues Programm. Es lehnt Konsumverzicht als Mittel des Naturschutzes ab, empfiehlt die Zusammenarbeit mit der Industrie bei Umwelttechnologie und vertraut auf die Marktgesetze.

Die Grünen müssten das Auto als "Element individueller Bewegungsfreiheit" anerkennen, sagte Bundes-Parteichef Fritz Kuhn, auch wenn sie weiter für mehr Schienenverkehr, bessere Bus-Systeme und ökologische Motoren kämpften. "Fundamentale Zweifel an der Zukunftschance unserer Zivilisation" kommen bei den Jungwählern nicht mehr an, analysiert das vom Vorstand unter Hubert Kleinert vorgelegte Papier.

Der im Frühjahr gewählte Realpolitiker sieht wegen des Kurswechsels und einer Reihe von Regionalkonferenzen zur inneren Festigung der Partei gute Chancen für eine erfolgreiche Beteiligung seiner Partei an der hessischen Kommunalwahl im März. "Die Austrittswelle ist gestoppt, die Stimmung wieder besser", sagte er. Die Grünen hätten den Schock der verlorenen Landtagswahl vor 20 Monaten endlich überwunden.

Doch die Beteiligung beim Parteitag ließ nicht an eine machtvolle Mobilisierung in der Umweltpartei glauben. Von 4400 Mitgliedern waren zur Debatte des grünen Kernthemas Ökologie gerade einmal 100 erschienen. Kontrovers diskutiert wurde kaum - fast alle Anträge gingen mit großer Mehrheit durch. Statt einer Öko-Debatte klassischer Form präsentierten die Grünen ihre Schwerpunktforderungen zur Kommunalwahl: mehr Geld für das "Solarland Hessen", ein Internetzugang für jeden Schüler und Betreuungsangebote auch für Kinder unter drei Jahren. Außerdem verabschiedeten sie ihr bereits vorgestelltes Programm zur Integration von Ausländern, das ebenfalls realpolitischen Charakter hat. Integration erfordere die Anstrengung von beiden Seiten, Deutschkurse für Zugereiste seien eine wichtige Voraussetzung, es dürfe keine Parallelgesellschaften geben, heißt es nun.

Dass die Grünen bei ihrem Hauptthema Umwelt möglicherweise politischen Boden preisgeben könnten, darüber sorgte sich Kleinert nicht. Ein offenes Verhältnis zur Technik schaffe heute erst die Voraussetzungen für die Herausforderungen der Ökologie, sagte er. Der Kurswechsel werde nicht nur bei Jüngeren, sondern auch in der Wirtschaft Stimmen bringen.

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