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© ddp

Hindukusch-Einsatz: "Das hier ist keine Muppet-Show"

In Sachsen-Anhalts Heide werden Bundeswehrsoldaten auf ihren Einsatz am Hindukusch vorbereitet.

Von Michael Schmidt

Langsam fahren zwei Bundeswehr-Spähwagen, Typ Fennek, über braunrandige Wege. Dahinter, wie auf einer Kette aufgereiht, schlängelt sich die Patrouille durch die verschneite Landschaft. Plötzlich eröffnen aufständische Taliban das Feuer. Ein Dingo wird von einer Panzerfaust getroffen, fängt Feuer, zwei Soldaten werden verletzt, einer kommt ums Leben. Farbige Leuchtspuren ziehen daraufhin über den grauen Himmel. Die deutschen Soldaten schießen zurück, verteidigen sich: Eine Szene aus der einsatzvorbereitenden Ausbildung einer Infanteriekompanie, die am 15. März nach Afghanistan verlegt wird.

Oben, auf dem „Teufelsberg“, inmitten der sachsen-anhaltinischen Heide steht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf dem „Feldherrenhügel“. In Flecktarnjacke, mit nicht eben winterfestem Schuhwerk, beobachtet er das Geschehen durch einen Feldstecher. Zu seiner Linken Oberst Dieter-Uwe Sladeczek, Ausbilder im Gefechtsübungszentrum Heer in Letzlingen, der dem Freiherrn erklärt, was er da sieht: Ein deutscher Konvoi wird aus einem Hinterhalt angegriffen. Der Führer eines erweiterten Zuges des Fallschirmjägerbataillons 373 aus Mittenwald muss reagieren. Eine Situation, so der Oberst „wie sie immer häufiger in Kundus eintritt, Herr Minister“.

Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Hans-Otto Budde, ergänzt: „Was Sie hier sehen, ist keine Schauvorführung, das ist keine Muppet-Show – das ist eine echte Übung.“ Und geübt wird der denkbar ernsteste Ernstfall: Trainiert wird der Krieg, das „Niederringen eines Angreifers mit militärischen Mitteln“. Einst gingen hier Kaiser und Adel auf Jagd. Später diente das Gelände der Roten Armee der Sowjetunion als Testgelände. Heute werden hier, im, so die Eigenwerbung, „modernsten Übungszentrum für Bodentruppen in Europa“, Bundeswehrsoldaten des Heeres zum Beispiel auf Hinterhalte, das Verhalten in Geiselhaft und den „Massenanfall von Verwundeten“ vorbereitet.

Für die Bundeswehr, die sich als Armee im Wandel versteht und längst zu einer „Armee im Einsatz“ geworden ist, sind solche zum Teil mehrtägige möglichst realitätsnahe Übungen unter Einsatzbedingungen gar nicht zu überschätzen. Denn, wie General Budde erläutert: Es sind Selbstmordattentäter, die sich gegen die Isaf-Truppen wenden. Und es sind zunehmend auch militärisch gut Ausgebildete, die „feuerten, bis sie umfallen“. Die Soldaten stünden „in Operationen gegen Aufständische, die alles und alle bedrohen. Es geht um militärische Gefechte wie im Krieg.“

Darauf gelte es die jungen Männer vorzubereiten. Hier am Truppenübungsplatz Altmark sind es fast 1200 militärische, industrielle und zivile Mitarbeiter, die jährlich 15 000 Soldaten ausbilden – im gesamten Einsatzspektrum und allen Intensitätsarten. Durch den Einsatz neuester Simulationstechnik ist es hier möglich, komplexe Einsatzaufgaben darzustellen und die Ausbildung realitätsnah zu üben: mit Originalwaffen, aber ohne scharfe Munition. Die Soldaten können die Gefechte mit Laser- und Computertechnik simulieren, mittels Satellitentechnik lassen sich Position, Bewegung, Beschuss, Wirkungsgrad und Funkgespräche aufzeichnen – und anschließend Schritt für Schritt auswerten. Guttenberg ist beeindruckt. „Was mir daran gefällt“, sagt der Minister, „ist, dass man hier aus Fehlern lernt.“

Der Minister fragt viel nach, lässt sich vieles erklären, sucht das Gespräch mit den Soldaten: „Ich blicke in motivierte Gesichter. Wir haben bestens ausgebildete Soldaten und können hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten nutzen, wenn wir unsere Soldaten in den Einsatz schicken.“ Er habe Leute bei einer Ausbildung gesehen, die sich auf eine Mission vorbereiten, die vieles von ihnen abverlange. „Ich bin stolz auf Sie“, sagt Guttenberg. „Ich wünsche ihnen viel Glück und Gottes Segen.“

Den erhofft sich auch mancher Angehörige des Mittenwalder Fallschirmjägerbataillons. Ja, sagt einer von ihnen, der in der klirrenden Kälte dieses Wintervormittags vor seinem Panzer von einem Fuß auf den anderen tritt, ihnen sei schon bewusst, „dass der Einsatz kein Spaziergang“ werde. Was sie abends nach den Übungen in ihren Gesprächen außerdem umtreibe, sei noch ein anderes Thema: die Frage nach dem rechtlichen Status ihrer Mission. Stabilisierungseinsatz, bewaffneter Konflikt, Krieg? Die jungen Soldaten hoffen auf mehr Klarheit und baldige Klärung. Denn derzeit herrsche unter ihnen das Gefühl vor, „mit einem Bein sind wir immer schon im Knast – und mit dem anderen im Grab“.

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