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Politik: Hinter den Linden: Heikle Wahrheiten

Es gibt im parlamentarischen Leben Themen, um die sich jeder herummogelt. Heikle Themen!

Von Robert Birnbaum

Es gibt im parlamentarischen Leben Themen, um die sich jeder herummogelt. Heikle Themen! Einer muss schon sehr neu im Geschäft sein, um sich überhaupt daran zu wagen. Zum Beispiel so wie Joschka Fischer. Der gab 1983 dem Sponti-Magazin "Pflasterstrand" ein Interview über erste Erfahrungen der grünen Turnschuh-Partei im Bundestag. Und in diesem Beitrag fiel der Satz: "Der Bundestag ist eine unglaubliche Alkoholikerversammlung."

Das hat gefetzt! Die parlamentarische Kollegenbeschimpfung in dieser direkten Form kannte man bis dahin nur als angelsächsisches Brauchtum. Die Empörung wogte. Abgeordnete anderer Fraktionen machten sich rachsüchtig auf zu Erkundungstouren ins Stammlokal der Realo-Grünen, die "Provinz". Die gründliche Recherche ergab: Biodynamischer Möhrensaft wurde da eher selten bestellt.

Fischer würde solche Sätze heute nicht mehr sagen. Das macht die Erfahrung. Doch andere tragen die Fackel weiter. Aus München zum Beispiel ist zu hören, dass es den CSU-Sponti Peter Gauweiler aus der Landes- in die Bundespolitik zieht. Das ist nicht so erstaunlich.

Der Ex-Minister mit dem Kampfhund-Image hat sich durch langjährige Kolumnistentätigkeit in überregionalen Presseerzeugnissen für ein Mandat in Berlin qualifiziert. Außerdem kann er in München nicht mehr werden, als was er heute ist: heimlicher König der CSU in der heimlichen Hauptstadt.

Pikant indessen ist die kolportierte Begründung für den Wunsch nach Ortswechsel. Gauweiler, wird aus München berichtet, finde das intellektuelle Niveau im Bayerischen Landtag einfach unterirdisch. Das kann ja heiter werden, wenn er dann wirklich nach Berlin kommt. Und feststellt, dass auch der Bundestag nicht durchgängig den Ansprüchen an ein Philosophenkolleg genügt. Wahrscheinlich wird Gauweiler daraufhin dem "Bayernkurier" ein Interview geben und in probat direkter Art das Urteil über die neuen Kollegen fällen. Ein Satz in diesem Interview aber wird mit den Worten beginnen: "Der Bundestag ist eine unglaubliche ..."

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