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Politik: Hinter den Linden: Sternguckerei

Wir klagen uns an. Wir haben versagt.

Wir klagen uns an. Wir haben versagt. Wir, die wir diese Zeilen füllen, haben Ihnen ein Versprechen gegeben, das wir heute brechen. Gut, immerhin war es kein Ehrenwort. Also: Wir hatten zugesagt, die Linden in eine Möllemann-freie Sperrzone umzuwidmen. Wir hatten uns vorgenommen, origineller zu sein, als Witze über den FDP-Vizechef es sein können. Wir hatten ehrlich und redlich den Entschluss gefasst, auf PR-Tricks des Nordrhein-Westfalen nicht länger herein zu fallen. Wir hatten unsere Boden-Luft-Raketen in Stellung gebracht, auf dem Mittelstreifen Unter den Linden, und Tage und Nächte auf Fallschirme gezielt, auf dass deren Nutzlast uns nicht hier in diese Spalte springe. Aber Jürgen W. Möllemann bleibt gerissen. Er zwingt uns erneut, ihm diese Zeilen zu widmen.

Was er nun schon wieder gemacht hat? Er hat den "Stern" gelesen, die Online-Ausgabe. Dort nämlich hatten 42 306 der Besucher die Sonntagsfrage beantwortet. Wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, dann, ja, was dann? 28,1 Prozent SPD, 22,8 Prozent CDU, 6,7 Prozent Grüne. Ein bisschen wenig für die Volksparteien. Warum? Klar, weil die FDP 18 Prozent bekommt. Genau 18, 18,0. Wie Möllemann es in seinem Projekt gefordert hatte. Was den Liberalen dazu veranlasste, eine triumphierende Presseerklärung herauszugeben, in der es heißt, "Stern"-Leser wüssten eben schon heute, was morgen passiert.

Einen Schönheitsfehler hat die Umfrage aber. 21,7 Prozent wählen PDS. Was dies für den "Stern" bedeutet, wissen wir nicht. Für die FDP bedeutet es Schockierendes. Auch mit 18 Prozent ist man nicht automatisch Dritter.

Robert Rimscha

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