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Politik: Hinter den Linden: Vorbildlich

Diesmal wollen wir uns mit der Frage befassen: Soll der Politiker dem gemeinen Volk ein Vorbild sein? Es ist dies heutzutage viel kniffliger zu beantworten als in den guten alten Zeiten.

Von Robert Birnbaum

Diesmal wollen wir uns mit der Frage befassen: Soll der Politiker dem gemeinen Volk ein Vorbild sein? Es ist dies heutzutage viel kniffliger zu beantworten als in den guten alten Zeiten. Jahrhundertelang galt als ausgemacht, dass der Politiker dem gemeinen Volk nicht nur kein Vorbild sein sollte, sondern sein ganzes Vermögen an das Gegenteil zu setzen hatte. Man hatte als bessergestellter Herr zu prassen und zu saufen, Weiberröcken nachzustellen und sich mit Seinesgleichen Schaukämpfe zu liefern.

Derlei demonstratives Kraftprotzentum ist später aus der Mode gekommen, weil die Zustände bei Hofe selbst den regierenden Fürsten zu wüst wurden. Man erfand also die Höflichkeit: Nicht gleich auf jeden eindreschen, die Damen erst mal tagelang ansingen, bei Tisch nicht in der Nase bohren ...

Dieses Regelwerk ist dann ständig verfeinert worden. Heutzutage erwarten wir von unseren Politikern sogar, dass sie ein kleines Stückchen besser sind als wir. Weil wir sonst vor uns selbst nämlich nicht besonders gut rechtfertigen können, dass jedermann Kanzler oder Verteidigungsminister werden kann, wir es aber nicht geworden sind.

Und dann so etwas! Steht ein Bürger im Stau auf der Autobahn. Im Auto neben ihm bohrt sich jemand in der Nase. Der Bürger guckt - der Bürger guckt noch mal. Ja aber - das ist doch ... ! Wir sagen nur: deutscher Spitzenpolitiker. Der Bürger hat seither einen Schock. Und seine Kinder lassen sich daheim bei Tisch nun nicht einmal mehr sagen, sie sollten gefälligst die Ellenbogen runternehmen.

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