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Politik: Hinter den Linden: Wehner, hilf!

Parteitage sind immer auch Festtage. Für die jeweilige Partei versteht sich, denn schließlich kommen die Delegierten vom Schwarzwald bis Ostfriesland auch zusammen, um sich und ihre Parteioberen zu feiern.

Parteitage sind immer auch Festtage. Für die jeweilige Partei versteht sich, denn schließlich kommen die Delegierten vom Schwarzwald bis Ostfriesland auch zusammen, um sich und ihre Parteioberen zu feiern. Sie danken ihnen für das Erreichte im Sinne der Partei, spornen sie zu neuen Leistungen an und kippen ordentlich einen darauf, dass Die-da-oben in Berlin weitermachen und den politischen Gegner im Zaume halten mögen. Lob und Hudel gehören zu Parteitagen, ebenso übrigens wie zu Familienfesten, auf denen der Glanz einer verstorbenen Großtante gepriesen wird und über die krummen Geschäfte von Onkel Helmut doch nun wirklich niemand mehr sprechen will.

Parteitage sind auch Festtage der Sprache. Erst kommen die großen Grundsatzreden der Vorsitzenden, Generalsekretäre und Promis. Je nach Begabung und Inhalt der Rede reißen sie das Parteivolk mit - oder gönnen ihm eine Dämmerstunde. Wenn die Berufsredner durch sind, geht es richtig los. Mehr mit dem Dämmern allerdings als mit der Begeisterung. Dann nämlich geht es an die richtige Arbeit, genauer gesagt an die Anträge. Die Delegierten auf dem Parteitag der CDU in Dresden müssen sich allein durch über 1000 Anträge in den nächsten Tagen arbeiten. Die wollen alle ausführlich besprochen, verworfen, wieder vorgelegt und erörtert werden. Endlose Wortkaskaden ergießen sich über die Delegierten bis selbst den Bemühtesten die Füße einschlafen, trotz Qualitätssocken mit Stützzwickel.

Das ist bei der SPD nicht anders. Aber wenn niemand mehr kann, schlägt die Stunde der Vorsitzenden. So konnte SPD-Chef Gerhard Schröder seine Genossen auf seinem Parteitag am dritten Tag mit dem Bekenntnis erwecken, dass er "ein Sitzriese" ist. Außerdem erheiterte er mit der nach drei Jahren als Bundeskanzler gewonnenen Erkenntnis, dass nur "Ministerpräsidenten Zeit zum Saufen haben".

Bei der SPD geben sich aber nicht nur die noch lebenden Vorsitzenden alle Mühe, zur Kunst der Rede und Unterhaltung beizutragen. Auch von Herbert Wehner lernen die Sozialdemokraten, wie es geht. Wenn ihre Rhetorik stockt, können sie sich im Seminar "Reden wie Wehner!" fortbilden. Die Teilnehmer des Kurses brauchen übrigens kein Parteibuch der SPD.

Ulrike Fokken

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