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Politik: Hinter der schwarzen Fassade

Die CDU wünscht sich ein Großstadtpublikum – aber das findet sie längst nicht überall

Berlin - In Bremen ist die CDU am Sonntag grandios gescheitert – ein leichtes Pflaster waren die großen Städte generell nie für die Partei. Wie haben sich die Christdemokraten in anderen Großstädten geschlagen?

Hamburg war für die CDU vielleicht die beste Gelegenheit, sich dauerhaft als erfolgreiche Stadtpartei zu etablieren. Sie hatte einen schwulen Bürgermeister, der über alle Parteigrenzen hinweg beliebt war, und sie brachte das erste schwarz-grüne Bündnis auf Länderebene zustande. Das war schon ziemlich modern. Viele wollten in Ole von Beusts Stadtpolitik sogar ein Vorbild für Merkels politische Orientierung sehen, zumal sie stets engen Kontakt zu ihm hielt. Mit dem Rücktritt des ehemaligen Ersten Bürgermeisters hat die CDU diese Chance fahrlässig vergeben. Immerhin errang man 2004 mit über 47 Prozent die absolute Mehrheit. Beust, der von 2001 bis 2010 regierte, hatte es geschafft, die traditionell eher konservative Hamburger CDU in der von Merkel gerne reklamierten Mitte zu verankern. Beust scheute sich nicht davor, wenn es ihm opportun erschien, die eigene Partei aufzufordern, sozialdemokratischer zu werden. Er redete von seinem eigenen Wandel vom eher konservativen zum sozial orientierten Politiker und wollte die CDU zum „Anwalt der kleinen Leute“ machen. Beust moderierte Konflikte, ohne sich zu sehr zu involvieren. Das mochte Hamburg eine Weile lang, dann kam die schwarz-grüne Schulreform, die das bürgerliche Milieu nicht mittrug. Beust flüchtete und sein Nachfolger Christoph Ahlhaus dachte, er müsste, um sich zu profilieren, zunächst den Hardliner geben. Das war ein Missverständnis zu viel – und der Untergang der CDU als Regierungspartei. ale

Dresden hatte seit der Wende immer eine konservative CDU, so wie es eben im Freistaat Sachsen üblich ist. Aber richtig gut ging es ihr damit nur die ersten elf Jahre seit der Wende – mit Herbert Wagner als Oberbürgermeister, einem Aktivisten der DDR-oppositionellen „Gruppe der 20“. Der erste Tiefschlag kam 2001, ein kurioses Bündnis aus SPD, PDS und Grünen brachte den FDP-Kandidaten Ingolf Roßberg ins Amt. Er blieb bis 2008, die letzten zwei Jahre wegen eines Korruptionsverfahrens vom Amt suspendiert. 2004 verlor Schwarz-Gelb auch die Mehrheit im Stadtrat, der zweite Tiefschlag für die CDU. Auch der Neuanfang mit der bisherigen CDU-Sozialministerin Helma Orosz, die 2008 Oberbürgermeisterin wurde, bedeutete keinen Kurswechsel der Christdemokraten. Im Gegenteil: Auch CDU-Stadtchef Lars Rohwer steht für eine extrem konservative Ausrichtung und hat beispielsweise durchgesetzt, dass sich seine Partei überparteilichen Initiativen gegen Nazi-Aufmärsche verweigert. Jetzt scheint die Macht der CDU erneut in Gefahr. Orosz ist an Brustkrebs erkrankt und lässt ihre Amtsgeschäfte ruhen. Der amtierende Stellvertreter von der FDP setzt sich mit einem betont liberalen Kurs ab. Und Linke, SPD und Grüne stimmen sich auf ein Linksbündnis ein. m.m.

Frankfurt am Main hat seit 1995 die CDU-Politikerin Petra Roth als Oberbürgermeisterin – ihre Koalition mit den Grünen hat sie gerade erst um fünf Jahre verlängert. Es versteht sich von selbst, dass Roth sich nach der Wahlniederlage ihrer Parteifreunde in Bremen um das Großstadtprofil der CDU sorgt. Und von ihrer Partei deutlichere Akzente in der Umwelt- und Bildungspolitik fordert. Auf Nachfrage will sich Roth ausdrücklich nicht auf Schwarz-Grün als Erfolgsrezept ihrer Partei auch in anderen Großstädten festlegen. „Eine solche Koalition muss wachsen, man kann sie nicht einfach als Modell verordnen“, sagte die CDU-Politikerin. Klar sei, dass die Grünen von heute, die ja von der Herkunft auch zum bürgerlichen Spektrum zählten, nicht mehr dieselben seien wie vor 20 Jahren. Aber das heiße nicht, der Öko-Partei das Feld zu überlassen. Roth meint: „Das ist doch originäre Aufgabe christdemokratischer Politik: aus Verantwortung für die Schöpfung eine Strategie zu entwickeln, um die Natur zu bewahren.“ Grüne Technik sei schließlich auch eine wirtschaftliche Chance. dapd



Stuttgart
wird traditionell christdemokratisch regiert, doch die schwarze Vormacht in der Landeshauptstadt wackelt bereits deutlich länger als die im Land, wo sie seit dieser Landtagswahl perdu ist. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, der 1997 Nachfolger des populären und langjährigen „Schultes“ Manfred Rommel (1974 bis1996) wurde, schaffte es nur wegen der Zerstrittenheit der Opposition. Die Sozialdemokraten waren seinerzeit noch nicht bereit zu jener Konstellation, die sie jetzt im Land akzeptieren mussten: Sie selbst als Kellner, die Grünen als Koch. Mit Hilfe der Sozialdemokraten wäre der Grüne Rezzo Schlauch seinerzeit Oberbürgermeister geworden – als erster an der Spitze einer deutschen Großstadt. Doch die SPD verweigerte sich. Der neue Grünen-Kandidat Boris Palmer schaffte es 2004 nicht. Die starken grünen Sympathien in der Stadt aber prägen auch Schusters Politik. Der einst als blass verspottete Christdemokrat setzte gleich zu Amtsbeginn damals ungewöhnliche Zeichen, als er eine Stabsstelle für Integration schuf. Er kenne keine Ausländer, sondern nur Stuttgarter, sagt er, und wünscht sich als Zeichen für seine buntgemischte Stadt – der Migrantenanteil liegt über 40 Prozent, etwa so hoch wie in Frankfurt am Main – auch mal öffentlich eine repräsentative Moschee. Die CDU als moderne Großstadtpartei – Stuttgart bot dafür lange wie Frankfurt ein Beispiel. Ob das nach Stuttgart 21 noch gilt – Schuster hat das Projekt immer vehement befürwortet – ist offen. ade

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