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Hisbollah-Kriegsführung: Der Gegner ist unsichtbar

Im Südlibanon hat der Krieg seine Besonderheiten. Für Israels Militär ist der Gegner kaum sichtbar. Zuschlagen, Gebiete säubern und sich wieder zurückziehen heißt die Taktik. Gegen die täglichen Raketenangriffe hilft diese allerdings nicht.

Ghandurija - Dem weißen Lieferwagen ist die gefährliche Fracht nicht anzumerken. Sein Stauraum ist mit rechteckigen Panzerminen gefüllt. "Jede von ihnen kann einen israelischen Merkava-Panzer in zwei Hälften teilen", sagt Abu Ali stolz. Der Hisbollah-Kämpfer und sein Kamerad bereiten im Dorf Ghandurija die nächsten Attacken vor. Mit kleinen Gruppen wie diesen, die aus dem Nichts zuschlagen und dann untertauchen, hat die Hisbollah der hochgerüsteten israelischen Militärmaschinerie bisher hartnäckig die Stirn geboten. Ihr Erfolg wird auch daran erkennbar, dass die Israelis inzwischen die Guerillataktiken der schiitischen Milizionäre zum Teil kopieren.

Ein herrenloser Hund streunt durch Ghandurija. Er und die beiden Hisbollah-Kämpfer sind die einzigen wahrnehmbaren Lebewesen in dem Dorf im Südosten des Libanons. Anders als in dichter besiedelten Gebieten, wo sie in Zivilkleidung unterwegs sind, tragen Abu Ali und sein Mitstreiter heute ihre olivgrünen Uniformen. Ghandurija liegt sieben Kilometer entfernt vom Dorf Taibe, dem Schauplatz der bisher heftigsten Bodenkämpfe zwischen der Hisbollah und israelischen Soldaten seit Beginn der israelischen Offensive. Rauch steigt von den Hügeln um Taibe auf, wo israelische Einschüsse die vertrocknete Vegetation in Flammen gesetzt haben.

Spezialisten für die Panzerabwehr

Von Aita el Schaab im Westen bis Chiam im Osten habe er schon an den verschiedensten Einsatzorten gegen die Israelis gekämpft, sagt Abu Ali. Überall an der 80 Kilometer langen Front fußt der Erfolg der Hisbollah-Miliz im Kampf gegen den hochgerüsteten Gegner auf dem Einsatz von Guerillataktiken, Panzerabwehr- und Katjuscha-Raketen. Die israelische Armee habe die meisten Verluste durch auf die Panzerabwehr trainierte Spezialeinheiten der schiitischen Miliz hinnehmen müssen, sagt der israelische Armeechronist Seev Schiff. Vor allem das in Russland fabrizierte Modell RPG-29, das über Syrien in den Libanon geliefert wird, komme dabei zum Einsatz.

Bei ihren Angriffen auf israelisches Territorium setzt die Hisbollah auf ihre altmodischen, gleichzeitig aber sehr wirkungsvollen Katjuscha-Raketen, deren Ur-Version schon im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee verwendet wurden. Über mehr als 13.000 dieser Geschosse verfügte die Miliz zu Beginn der Kämpfe, sagt ein hochrangiger israelischer Offizier. Trotz Luftaufklärung und Dauerbombardement habe Israel erst 1500 davon zerstört. "Das ist unser Hauptproblem. Wir haben den Raketenrampen bisher nur wenig Schaden zugefügt", gesteht der israelische General Benny Gantz.

Raketenabschussrampen sind kaum zu treffen

Grund ist die hohe Mobilität der Raketeneinheiten: Die Hisbollah-Kämpfer können innerhalb von Minuten auf Pickup-Wagen stationierte oder in Häusern und Höhlen versteckte Katjuschas abfeuern und sich dann schnell in Sicherheit bringen, erläutert der frühere israelische General Uzi Dajan. Manchmal würden die Zielkoordinaten über Mobiltelefon durchgegeben und die Salven per Fernbedienung abgefeuert. Ehe die israelischen Flugzeuge ihre Bomben abgeworfen haben, sind die Milizionäre schon über alle Berge. Auch die israelische Luftabwehr kann die tief fliegenden Raketen nur schwer vom Himmel holen. Der Feind und seine Raketen bleiben ungreifbar - die Einschläge aber sind für die israelische Zivilbevölkerung verheerend. Etwa 2000 Katjuschas schlugen bisher in Israel ein und töteten 43 Zivilisten.

Im Bodenkampf hat sich die israelische Armee der erfolgreichen Taktik der schiitischen Kämpfer längst angepasst. Wenn die israelischen Panzer über die staubigen Wege rattern, gibt die Artillerie ihnen mit Schüssen in die angrenzenden Schluchten Begleitschutz. Wie ihrer Gegner vermeiden die Einheiten, lange an einem Ort zu bleiben. Israel habe seine Lektion aus der 22-jährigen Besatzung des Südlibanon gelernt, sagt der politische Berater der UN-Truppen im Libanon, General Ryszard Morczynski. «Sie scheinen sich nicht wirklich für die Besetzung der Dörfer zu interessieren. Sie dringen ein, säubern den Sektor und ziehen sich zurück.» Von einem militärischen Sieg scheint die israelische Armee unter diesen Bedingungen so weit entfernt wie zu Beginn der Offensive. (tso/AFP)

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