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Politik: Hisbollah regiert den Libanon

Die radikalen Schiiten können im Bündnis mit dem pragmatischen Premier Mikati die Politik bestimmen

Die Hisbollah ist am Ziel. Sie regiert den Libanon. Fünf Monate dauerte das Machtvakuum, dann hatte Ministerpräsident Najib Mikati die erste von radikalen Schiiten dominierte Regierung in der Geschichte des Zedernstaats auf die Beine gestellt. Nach der Zustimmung des Parlaments in dieser Woche können er und seine 30 Minister das Ruder übernehmen. 18 Minister stammen aus den Reihen der Hisbollah und ihrer Verbündeten, zwölf aus anderen religiösen und politischen Lagern. Damit aber wäre die Hisbollah knapp drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung auf dem Gipfel der Macht angekommen. Zwar saß sie bereits seit 2005 mit am Kabinettstisch, doch nur in der Rolle einer Minderheit mit Vetorecht. Künftig jedoch bestimmen die Anhänger von Scheich Hassan Nasrallah die Linien der Politik – unter der Regie von Premierminister Mikati, einem Sunniten und Multi-Milliardär, der sich gerne pragmatisch gibt.

Die Regime in Syrien und Iran jedenfalls reiben sich die Hände. Gleich zwei Mal in den letzten 48 Stunden rief Syriens bedrängter Präsident Baschar al Assad in der Beiruter Staatskanzlei an, um zum neuen Kabinett zu gratulieren, dem nur noch pro-syrische Politiker angehören. Teheran sekundierte mit freudigem Lob. Für die USA und Europa dagegen endet erst einmal der Versuch, den Libanon enger an das westliche Lager zu binden. Auch die Spannungen mit Israel könnten rasch zunehmen, das mit den schiitischen Gotteskämpfern zuletzt 2006 einen 34 Tage langen Krieg führte. „Wir werden die neue Regierung an ihren Taten messen“, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums. Wichtig sei vor allem, dass die neue Führung der Gewalt abschwöre und seine internationalen Verpflichtungen erfülle. In das gleiche Horn stieß am Dienstag auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Doch danach sieht es nicht aus. Aus Sicht der Hisbollah nämlich hat ihre neue Regierung vor allem die Aufgabe, die Zusammenarbeit mit dem Hariri-Tribunal in Den Haag aufzukündigen. Bislang trägt Beirut knapp die Hälfte der Gerichtskosten. Und als sich im Januar die Vorgängerregierung von Saad Hariri, dem Sohn des Ermordeten, weigerte, die Kooperation zu beenden, ließ die Hisbollah dessen Regierung der Nationalen Einheit platzen.

Die radikalen Schiiten befürchten, einige ihrer Mitglieder könnten demnächst als Täter oder Drahtzieher des Anschlags auf Rafik Hariri bezichtigt werden – und das möchte Hisbollah-Chef Nasrallah unter allen Umständen verhindern. Denn der bärtige Scheich weiß, dass der Nimbus seiner „Partei Gottes“ auf der arabischen Straße schweren Schaden nimmt, sollten ihre Kader 2005 die Megabombe gegen den populären Ex-Premier tatsächlich gezündet haben.

Derweil versucht der neue Regierungschef Najib Mikati, die Gemüter zu beruhigen. „Urteilt nicht über Absichten und Personen, sondern über die Taten“, warb der 55-Jährige im Fernsehen. Libanon werde nicht ins radikale Lager abdriften und seine internationalen Verpflichtungen respektieren, beteuerte er. Ob dies auch die Anerkennung des Hariri-Tribunals einschließt, präzisierte er allerdings nicht. „Wir werden die Auswirkungen auf die Stabilität des Libanon analysieren und entsprechend handeln“, fügte er sybillinisch hinzu. Seine Regierung jedenfalls sei sich vollkommen darüber im Klaren, dass „die Zukunft nicht nur rosig sein wird”.

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