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Politik: Hitzige Wortgefechte in Bratislava

Slowakei verweigert sich dem Euro-Schirm

Warschau/Brüssel - Das slowakische Parlament hat am späten Dienstagabend den Beitrag des Landes zum Euro-Rettungsschirm (EFSF) abgelehnt. Für den Rettungsschirm stimmten nur 55 von 150 Abgeordneten. Damit ist der EFSF vorerst gescheitert. Die EU muss nun möglicherweise neue Lösungen für Griechenland und die weiteren Eurozonen-Krisenländer wie Italien, Spanien, Portugal und Irland suchen.

Über acht Stunden lang hatten sich die Abgeordneten in dem widerspenstigen Euro-Land über die Währung und Griechenland gestritten. Regierungschefin Iveta Radicova hatte die Zustimmung zum EFSF mit einer Vertrauensfrage an die eigene rechtsliberale Vier-Parteien-Koalition verbunden. Die ist mit dem Scheitern der Zustimmung nun am Ende. „Es ist inakzeptabel für die Ministerpräsidentin, der Slowakei zu erlauben, sich zu isolieren“, sagte Radicova. „Der Euro ist bedroht“, warnte sie vor der Abstimmung. Ihre eigene Partei SDKU sowie zwei kleinere Koalitionspartner, die Christdemokraten sowie die gemäßigte Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid, hatten sich bereits vor einigen Wochen trotz interner Widerstände zu einem Ja durchgerungen. Bei der geheimen Abstimmung stimmten aber offensichtlich mehrere Abgeordnete dennoch gegen den Rettungsschirm.

Konsequent gegen den Rettungsschirm argumentierte die zweitwichtigste Regierungspartei „Svoboda a Solidarita“ („Freiheit und Solidarität“, SaS) des einstigen Geschäftsmanns Richard Sulik. Keine Hand zur Rettung des EU-Projekts bot auch die große linkspopulistische Oppositionspartei Smer von Ex-Regierungschef Robert Fico. Sie hofft nun auf vorgezogene Neuwahlen. Umfragen versprechen ihr dabei 40 bis 50 Stimmenprozent, was sogar die absolute Parlamentsmehrheit bedeuten könnte. Der EFSF ist bei der Bevölkerung der selbst im Vergleich zu Griechenland armen Slowakei unbeliebt.

Sulik hatte für seine Rede eine schwarze Krawatte angezogen und wiederholte vor den 150 Abgeordneten die altbekannten Argumente seiner neoliberalen SaS. Wer wie Griechenland dauernd Regeln breche und über seine Verhältnisse lebe, verdiene keine Unterstützung – schon gar nicht von einem viel ärmeren Land wie der Slowakei, zeigte sich Sulik überzeugt. Seine SaS könne dem erweiterten Euro-Rettungsschirm deshalb nicht zustimmen, sagte er. „Wer schlecht haushaltet, soll dafür nicht belohnt werden“, meinte Sulik weiter. Zudem sei die Ausweitung des EFSF sinnlos, weil der Fonds immer noch zu klein wäre, um großen Ländern wie Italien oder Spanien zu helfen. „Griechenland pleite gehen zu lassen, ist eine ehrliche Lösung“, warb Sulik.

Suliks einstiger Chef, Finanzminister Ivan Miklos von der SDKU, hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass der Slowakei im Falle eines Scheiterns des Euro ein Wirtschaftseinbruch von 40 bis 50 Prozent drohe. Gleichzeitig gab sich Miklos überzeugt, dass das Parlament bis Ende dieser Woche eine Lösung findet und dem EFSF schließlich dennoch zustimmen wird. Von einer solchen „Initiative der letzten Chance“ war am Dienstagabend in Bratislava aber zunächst nicht mehr die Rede. Die Slowakei hat die EU-Gemeinschaftswährung 2009 eingeführt, sich ein Jahr später allerdings auf Betreiben Suliks bereits aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland ausgeklinkt.

Nur wenn der neue EFSF-Rahmenvertrag von allen 17 Ländern ratifiziert wird, kann der Rettungsschirm mehr Geld verleihen und neue Aufgaben übernehmen. Bei der Veränderung der „Zusagenhöhe“ wird laut Vertrag Einstimmigkeit verlangt. Sollte das slowakische Parlament in einer zweiten Runde auch nicht zustimmen, könnten die 16 anderen Euro-Staaten damit einverstanden sein, auf den geringen slowakischen Anteil von 0,5 Prozent der Garantiesumme – umgerechnet 3,5 Milliarden Euro – zu verzichten. Der Rettungsschirm wäre minimal kleiner als geplant, doch müsste möglicherweise ein neuer Vertrag geschlossen werden. Ob dieser auf Grundlage der existierenden Parlamentsbeschlüsse unterschrieben werden könnte oder neu ratifiziert werden müsste, ist offen. Paul Flückiger/Christopher Ziedler

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