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Hochfrequenzhandel: Profit im Millisekundentakt

Die Bundesregierung will den von Computern gesteuerten superschnellen Börsenhandel, den sogenannten Hochfrequenzhandel, stärker beaufsichtigen. Wie funktioniert er – und was richtet er an?

Banken, Wertpapierfirmen und Hedgefonds sind die Hauptakteure des Hochfrequenzhandels. Per Computer werden etwa laufend Preisunterschiede für Wertpapiere an verschiedenen Börsen analysiert. Schon bei Differenzen von wenigen Cent winken satte Gewinne, weil es in der Regel um große Aufträge geht und pro Tag etliche Geschäfte getätigt werden. An Börse A wird günstig gekauft, an Börse B teurer verkauft. Oder es werden historische Daten analysiert und daraus Schlüsse für die Kursentwicklung gezogen. Der Handel spielt sich in der Spitze innerhalb von 250 bis 300 Mikrosekunden ab, also innerhalb von einer Viertelsekunde. Es gibt Fälle, da wurden innerhalb von einer Sekunde 47 000 Orders für eine einzige Aktie abgegeben.

An der Deutschen Börse entfallen 45 bis 50 Prozent des Auftragsvolumens auf den Hochfrequenzhandel und das damit verbundene sogenannte Algo-Trading. Rund ein Viertel der bei der Deutschen Börse registrierten Banken und Finanzdienstleister praktizieren den schnellen Börsenhandel. Nach Schätzungen von Experten liegt die Quote in den USA sogar schon bei 70 Prozent.

Vor- und Nachteile des superschnellen Börsenhandels sind umstritten. Er schaffe mehr Liquidität und damit letztlich auch faire Preise im Wertpapierhandel, sagen die einen. „Den Hochfrequenzhandel generell zu verteufeln, geht in die falsche Richtung“, betont Peter Gomber, Professor für elektronische Finanzmärkte an der Uni Frankfurt. Viele Strategien wie etwa Liquiditätsbereitstellung und das Ausnutzen von Kursunterschieden an verschiedenen Börsen leisteten einen positiven Beitrag zur Marktqualität und Marktliquidität. Kritiker monieren deutlich höhere Kursschwankungen, was wiederum der Spekulation den Weg bereite. Der Hochfrequenzhandel sei ein Gefahrenherd, der Übertreibungen am Markt und Krisenentwicklungen an der Börse verstärken könne, sagt Elke König, Chefin der Finanzaufsicht BaFin.

Das Problem liegt aber auch im Missbrauch. Den räumt auch Gomber ein, etwa indem über das Aufspüren von Liquidität bei anderen Marktteilnehmern oder durch Vorspiegelung eines falschen Bildes von Angebot und Nachfrage versucht werde, eigenen Profit zu maximieren. BaFin-Chefin König zufolge geben Hochfrequenzhändler sehr oft Kaufaufträge ab, kaufen aber dann doch nicht. Mitunter soll nur einer von 60 Aufträgen ausgeführt werden. Die Börse Stuttgart führte Obergrenzen für die Eingaben von Orders ein. Marktteilnehmer werden im Extremfall vom Handel ausgeschlossen. An der Frankfurter Börse müssen Hochfrequenzhändler, die pro Tag eine bestimmte Obergrenze von Wertpapieraufträgen einstellen, seit März höhere Gebühren zahlen. So will man einen „Flash Crash“ wie 2010 an der Wall Street verhindern, als der Dow Jones in Minuten um 1000 Punkte abstürzte. Hochfrequenzhändler hatten die Börse mit Verkaufsaufträgen überflutet.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will deshalb mit dem Gesetz Übertreibungen und Missbräuche bekämpfen. Damit übernehme Deutschland in der EU eine Vorreiterrolle. Der Gesetzentwurf sieht eine Zulassungspflicht für die Betreiber vor und macht es den Aufsichtsbehörden leichter, bei ungewöhnlichen Kursschwankungen den Handel zu unterbrechen. Es sei für alle Akteure gut, dass Rechtssicherheit im Umgang mit Hochfrequenzhändlern geschaffen werde, heißt es bei der Deutschen Börse.

Der SPD geht das Gesetz nicht weit genug. Peer Steinbrück plädiert dafür, nicht nur die Handelsunternehmen einem Zulassungsverfahren zu unterziehen, sondern auch die von ihnen verwendeten Algorithmen, mit denen die Computer arbeiten. Schädliche Handelsstrategien müssten verboten werden. Der Algorithmus müsse in einem Stresstest auf seine Stabilität überprüft werden. Um ihn identifizieren zu können, müsse der zugelassene Algorithmus eine eindeutige Kennung erhalten. Und: Damit sichergestellt werde, dass hinter den oft in Millisekunden vollzogenen An- und Verkäufen auch echte Liquidität stecke, müsse eine Mindestverweildauer für die Ausführung eines Auftrags vorgegeben werden. Rolf Obertreis

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