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Das letzte Wort hat der Bundesrat – ehe die neuen Regelungen für die Hartz-IV-Bezieher wirksam werden.

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Hartz-IV: Hoffen auf die große Koalition

Das Kabinett verabschiedet die Hartz-IV-Pläne – im Wissen, dass die SPD im Bundesrat dagegen ist. Die Kompromisssuche dürfte nicht einfach werden, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend deutlich machte.

Die „größten Felsbrocken“, hofft Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, könnten womöglich schon in Verhandlungen mit Ländern und Opposition in den nächsten Wochen aus dem Weg geräumt werden. Nach dem Kabinettsbeschluss zur Neuberechnung von Hartz IV will die CDU-Politikerin rasch Gespräche mit den Ländern und der Opposition führen, um deren Zustimmung zu ihren Reformplänen zu gewinnen. Doch die Kompromisssuche dürfte nicht einfach werden, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend deutlich machte: „Die jetzt von Frau von der Leyen vorgelegten Vorschläge wird die SPD im Bundesrat ablehnen, auch im Bundestag“, kündigte Gabriel an.

Der Gesetzentwurf soll am Freitag kommender Woche erstmals im Bundestag beraten und am 17. Dezember vom Bundesrat verabschiedet werden. Die Arbeitsministerin forderte die Kritiker auf, ihre Forderungen zu sortieren. Derzeit gebe es noch einen „vielstimmigen Chor“ – zum Teil seien die Vorschläge „vernünftig“, zum Teil aber auch „himmelschreiend irreal“. Das Bundesverfassungsgericht habe mit dem Termin zum 1. Januar 2011 eine sehr enge Frist gesetzt. „Das nimmt uns alle in die Verantwortung“, mahnte Leyen. Auf welche Forderungen vor allem aus den SPD-geführten Ländern sie eingehen will, ließ die CDU-Politikerin nicht erkennen. Bei der Umsetzung der Hartz-IV-Pläne ist die Bundesregierung auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen, in dem es keine schwarz-gelbe Mehrheit gibt.

Gabriel warf der Arbeitsministerin vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. „Einerseits gibt es die Schulstarterpakete für einkommensschwache Haushalte in Höhe von 100 Euro schon heute“, betonte er. Und die verbleibenden 12,50 Euro pro Monat für Sport- und Musikunterricht für Hartz-IV-Kinder „sind eine Lachnummer“. Statt das Geld „zu verkleckern“, müsse bei der Bildung für Kinder „geklotzt“ werden, forderte er. Das bedeute: bessere Kindertagesstätten, ein warmes Mittagessen für alle Kinder und vor allem mehr Ganztagsschulen.

Die Linke bezeichnet das Vorhaben als Betrug

Vor dem Kabinettsbeschluss nahm das Arbeitsministerium noch Korrekturen am Gesetzentwurf vor. Die rund 4,8 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher können sich nicht mehr darauf einstellen, dass ihre Bezüge im nächsten Jahr zweimal steigen. Bisher wurden die Leistungen jedes Jahr zum 1. Juli angepasst, dieser Termin wird nun auf den 1. Januar verlegt. Das führt dazu, dass der Regelsatz zum 1. Januar 2011 für Alleinstehende um fünf Euro auf 364 Euro im Monat steigen wird, die nächste Anpassung ist für 2012 vorgesehen.

Von dem Bildungspaket für die rund 1,7 Millionen Kinder, die von Hartz IV leben, sollen auch Kinder von Geringverdienern profitieren. Zuschüsse für den Sportverein oder die Musikschule, das Mittagessen in der Schule oder den Ausflug sollen auch für die Kinder gezahlt werden, deren Eltern vom Staat den Kinderzuschlag erhalten, damit sie nicht in Hartz IV abrutschen. Nach Angaben des Familienministeriums profitieren davon 120 000 Familien mit 300 000 Kindern. Den Umfang des Bildungspakets bezifferte Leyen auf 700 Millionen Euro. Darin sind allerdings auch 125 Millionen Euro für Schulmaterial enthalten, die schon jetzt gezahlt werden. Hinzu kommen etwa 135 Millionen Euro für die Verwaltungskosten. Nach heftiger Kritik aus der CSU soll es nun auch die Möglichkeit geben, dass die Leistungen für Kinder nicht nur über Gutscheine abgerechnet werden, sondern dass direkt Geld an die Schulen oder Vereine gezahlt wird. Den Vorwurf, sie plane ein „Bürokratiemonster“, bezeichnete Leyen als „Totschlagargument“.

Die Ministerin verteidigte die Anhebung der Regelsätze, die nach Ansicht der Wohlfahrts- und Sozialverbände und der Gewerkschaften zu gering ausfällt. „Ich weiß, das ist knapp“, sagte von der Leyen. Hartz IV sei jedoch „kein Dauerzustand, das muss ein Übergang sein“. Die Anhebung müsse auch den Menschen zu vermitteln sein, die den Lebensunterhalt selber verdienten und jeden Euro umdrehen müssten.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die Pläne als „Betrug“. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie für kleine Zugeständnisse das „miese Spiel“ mitspiele oder sich aus der „Hartz-IV-Logik“ löse. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte, der Regelsatz sei „nach Kassenlage“ berechnet worden, „nicht nach dem tatsächlichen Bedarf“. Der Sozialverband VdK warf der Regierung vor, sie habe kein tragfähiges Konzept zur Armutsbekämpfung.

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