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Politik: „Hoffentlich haben wir bis 2010 eine Präsidentin“

Hillary Clinton über die Rollen ihres Lebens, die Memoiren ihres Mannes – und über eine Begegnung mit Martin Luther King

Mrs. Clinton, Sie und Ihr Mann haben gleichzeitig an Memoiren geschrieben.

Ja, er sitzt noch daran. Er hat sich ein aufwändigeres Konzept einfallen lassen. Sein Buch soll im nächsten Jahr erscheinen.

Man stellt sich das ja so vor: Das Ehepaar Clinton sitzt daheim und diskutiert über gemeinsame Zeiten, und wer was wie gesehen hat.

Wir haben uns ständig erzählt, was wir jeweils gerade taten. Ich habe ihm Abschnitte aus meinem Buch vorgelesen, dann hat er mir aus seinem vorgelesen. Wir haben gegenseitig Fakten überprüft, darauf geachtet, dass die Zeitabläufe übereinstimmen – was ist wann passiert. Ziemlich aufregend.

Haben Sie sich gegenseitig überrascht, wenn es um Ihrer beider Vergangenheit ging?

Naja, die Kapitel, über die wir beide am meisten wussten, waren die über unsere gemeinsame Zeit. Es gab eine Menge von Geschichten aus der Zeit, bevor wir uns kennen gelernt haben, die ich sehr interessant fand.

Und wie ging es Mr. Clinton mit Ihrem Buch?

Ich schreibe von meiner Großmutter, die einem Arzt standhaft verweigerte, die Füße meines Vaters zu amputieren. Dies erzählt viel über meine Großmutter – und dadurch auch über mich. Ich bin mit der Geschichte aufgewachsen, aber mein Mann kannte sie überhaupt nicht; ich war nie in eine Situation gekommen, ihm davon zu erzählen.

Sie gelten als Hoffnungsträgerin für Millionen von Menschen, besonders für viele Frauen.

Das berührt mich sehr. Ich stehe im Rampenlicht, viele achten darauf, was ich sage, wie ich lebe, übrigens genauso wie ich selbst das Leben anderer Frauen betrachte.

Sie reden von Eleanore Roosevelt?

Ja, eine außergewöhnliche Frau, eine Inspiration für mein Leben. Ich bewundere sie!

Nach langem Hin und Her soll es nun ein Treffen zwischen George W. Bush und Gerhard Schröder geben. Glauben Sie, dass Frauen als Regierungschefs anders mit dieser Situation umgegangen wären?

Kommt auf die Frauen an… (grinst). Es gibt keine Hinweise, dass weibliche Regierungschefs grundsätzlich die Situation anders gehandlet hätten.

Als Studentin haben Sie einmal in einem Brief geschrieben: „Ich frage mich, ob ich mich jemals kennen lernen werde. Falls es mir gelingt, werde ich mich gut mit mir verstehen.“ Ist Ihnen das gelungen?

Oh, viele Male. Wenn man jung ist, beschäftigt man sich mit der Frage: Wer bin ich? Sie verlassen die Familie, in der sie aufgewachsen sind, schließen neue Freundschaften… Man muss versuchen, all seine Erfahrungen zusammen zu halten, um sich selbst nie zu verlieren. Wer ist schon mit 17 oder 20 genauso wie mit 30, 40 oder 50?

Und wer sind Sie heute?

Oh, mein Gott! Ich bin so vieles! Ich lebe in mehreren Rollen, die zusammen ein Bild von mir ergeben. Kann eine Frau gleichzeitig eine Mutter, eine Ehefrau, eine Berufstätige und eine öffentliche Person sein? Und wie kann es einem gelingen, all dem gerecht zu werden? Ich hoffe, dass wir eines Tages Frauen nach ihren Maßstäben beurteilen – und nicht mehr nach denen der Männer.

Was haben Sie Ihrer Tochter Chelsea über ihre Rolle als Frau mit auf den Weg gegeben?

Die wichtigste Herausforderung für jede junge Frau heute ist es, ihren eigenen Weg zu finden, wie auch immer der aussehen mag – und nicht wie ihn sich ihre Eltern vorstellen oder ihr Freund oder die Gesellschaft. Manche will eine gute Mutter und Ehefrau sein, und das ist prima. Die meisten werden allerdings versuchen, Karriere und Privatleben zu verbinden, und die Gesellschaft muss gerade in den USA mehr tun, um diesen Weg zu unterstützen.

Vor 40 Jahren trafen Sie Martin Luther King…

…ich habe seine Hand geschüttelt. Wir waren noch enger beieinander als wir beide jetzt hier. Ich stellte mich vor und sah in sein Gesicht. Das werde ich nie mehr vergessen.

Fünf Jahre später, 1968, wurde er erschossen.

Es war furchtbar. Die 60er Jahre waren hart für junge Amerikaner wie mich. Wir verloren Präsident Kennedy, Martin Luther King, Robert Kennedy. Es war schwer, darin einen Sinn zu sehen. Dann das Civil Right Movement, der Vietnamkrieg, gerade für jemanden wie mich, der in einer stabilen Umgebung aufgewachsen war, ein Erweckungserlebnis: Die Welt kann sich ja verändern!

Und was halten Sie von Michael Moore, dem amerikanischen PolitikRebellen von heute?

Oh, Michael Moore… Er ist provokant und unterhaltsam, und er löst mit seinen Filmen Kontroversen aus. Ich möchte nicht erleben, dass mein Land etwas unternimmt, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken – auch wenn ich mit jemandem nicht einverstanden bin.

Vor knapp zehn Jahren haben Sie hier in Berlin das Ehepaar Kohl getroffen.

Ja. Ich mag die Kohls sehr. Sie haben uns in ihr Privathaus eingeladen, wir haben uns gut verstanden. Ich war traurig über ihren Zustand, der sich zunehmend verschlechterte – und über ihren tragischen Tod. Jedes Mal, wenn ich Kanzler Kohl bei internationalen Meetings traf, und seine Frau ihn nicht begleiten konnte, erzählte er mir von ihr.

Mrs. Clinton, Sie lachen viel – eine gute Waffe?

Es ist in jedem Fall eine gute Medizin! Ein amerikanischer Journalist wurde einmal schwer krank und lieh sich von seiner Videothek lustige Filme aus, von den Marx-Brothers. Er behauptete später, das Lachen darüber habe ihn geheilt.

Gibt es Waffen einer Frau im Politikgeschäft?

Ich glaube: nicht mehr. Ich glaube, dass Frauen sich davon gelöst haben.

Was unterscheidet das Amerika der Republikaner vom Amerika der Demokraten?

Ein demokratisches Amerika versucht, allen die gleichen Chancen zur ermöglichen. Es schützt die Umwelt. Es verbessert sein Gesundheitssystem. Unter unserer derzeitigen Regierung werden wohlhabende Menschen wie ich mit Steuerkürzungen belohnt – und Umweltverschmutzer nicht mehr für ihre Taten bestraft. Ich hoffe, dass wir Demokraten bald wieder den Präsidenten stellen.

Sie meinen, falls Sie 2008 Präsidentin werden?

Ich hoffe doch, dass ich an der Wahl eines demokratischen Präsidenten mitarbeite, der 2004 gewählt wird.

1991 haben Sie in einer Rede gesagt: „Spätestens im Jahr 2010 werden wir in den USA eine Präsidentin haben.“

Ich hoffe, ich behalte Recht! Wissen Sie, Mrs. Roosevelt konnte sich nicht vorstellen, dass überhaupt jemals eine Frau Präsidentin werden könnte. Mrs. Carter hat noch Ende der 70er gesagt, dass im Jahr 2000 eine Frau an der Spitze der Vereinigten Staaten stehen wird. Ich habe mit 2010 ein Datum gesetzt, von dem ich hoffe, dass es realistisch ist. Aber wer weiß das schon?

Das Interview führte Christoph Amend .

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