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Politik: Hoffnung für Aceh

Regierung und Rebellen haben in der indonesischen Provinz einen Friedensvertrag geschlossen. Nächster Schritt ist ein Truppenabzug bis Ende des Monats

Irwandi Yusuf ist zufrieden: „Wir sind unserer Verpflichtung nachgekommen“, sagt er. Irwandi ist in der Provinz Aceh Chef der Gam, der „Bewegung freies Aceh“ . Die Rebellen hatten im August in einem Friedensvertrag mit Indonesiens Regierung zugesagt, 840 ihrer Waffen abzugeben. In Etappen setzten sie das um, Anfang der Woche war das Ziel erreicht. Auch Indonesiens Regierung will bald eines ihrer Versprechen erfüllt haben: Bis Ende Dezember soll das letzte Drittel der riesigen Truppe gehen, die gegen die Gam gekämpft hatte. Geht der Teilabzug planmäßig über die Bühne, gibt es in Aceh nur noch Soldaten und Polizisten, die sich um Landesverteidigung und Kriminalität zu kümmern haben.

Finnlands früherer Präsident Martti Ahtisaari hatte vor vier Monaten den Friedensvertrag zwischen Indonesiens Regierung und der Gam vermittelte. „Frieden in Helsinki – Frieden in Aceh“, steht in weißer Blockschrift auf einem breitem Stoffstreifen, der in der Provinzhauptstadt Banda Aceh zwischen zwei Bäumen flattert. Seit August fielen nur neun Mal Schüsse, seit zwei Monaten ist es ruhig. „Wunderbar“, „prima“, „endlich “ – wenn Acehnesen über den Friedensprozess sprechen, finden sie nur gute Worte. 30 Jahre lang hatte Gam rebelliert. Sie wollte einen eigenen Staat, Aceh war vor der Kolonialzeit ein unabhängiges Sultanat gewesen. Ihre Kämpfer töteten Soldaten und Polizisten. Gam soll von der Bevölkerung Steuern erpresst haben, von Misshandlungen ist die Rede. Wer als Informant der Armee verdächtigt wurde, soll gefoltert und getötet worden sein.

Zugleich wüteten in Aceh Indonesiens Sicherheitskräfte. Soldaten und Polizisten schlugen viel öfter zu als die Rebellen, sie töteten Gam-Kämpfer und Zivilisten, Opfer berichten von Vergewaltigungen, Folter, Brandstiftung und Erpressung von Wegezoll. Die Regierung holte Gas und Öl aus dem Meer vor Acehs Nordküste. Die Milliarden, die das brachte, gingen nach Jakarta. Acehnesen hatten so gut wie nichts davon.

Taufik, ein junger Mann mit Kraushaar, hockt in Banda Aceh neben seinem „Ojek“, einem Mopedtaxi. „Egal wo sie während des Konflikts standen, die meisten begrüßen den Helsinki-Vertrag. Das Töten soll ein Ende haben“, sagt er. Früher sei er Gam-Sympathisant gewesen, jetzt sehe er guten Willen auf der anderen Seite. „Vielleicht hat es sogar Vorteile, zu einem großen Staat zu gehören statt klein und allein zu sein.“ Gam hatte in Helsinki das Unabhängigkeitsziel aufgegeben. Wut darüber oder Widerstand sind in Aceh kaum zu finden. Eher Enttäuschung, weil das Ziel eines langen Kampfes nicht erreicht wurde. „Ich bin traurig, weil unsere Unabhängigkeit ein Traum bleibt“, sagt Zulfika, ein 30-jähriger Tagelöhner. „Aber immerhin ist das Leben viel entspannter als früher.“

Als am 15. August der Vertrag besiegelt wurde, der Frieden schaffen soll, waren in Banda Aceh Tausende zur großen Baiturrahman-Moschee gekommen. Auf deren Treppen standen Fernseher, sie zeigten Livebilder aus Helsinki. Nach der Unterzeichnung jubelte die Menge. Wolfram Hoffmann, Oberst im Ruhestand, war vor der Moschee mit dabei. Er ist einer von zwölf Deutschen in der Beobachtertruppe AMM. EU und der südostasiatische Staatenbund Asean haben die 250 Mann starke Mission auf die Beine gestellt. Hoffman sitzt in der AMM-Zentrale auf dem Gelände der Syiah-Kuala-Universität. „Der Friedensprozess läuft, weil alle ihn wollen“, sagt er. „Beide Seiten sind müde, der Tsunami vom 26. Dezember vergangenen Jahres hat ihnen den Rest gegeben.“ Der Oberst hat Gam-Kämpfer gesehen, die so erschöpft aus dem Wald kamen, dass sie fast umfielen. Und Soldaten, die nach ewigen Einsätzen nur noch eines wollten: nach Hause. Gegenüber von Hoffmanns Büro arbeitet AMM-Chef Pieter Feith, ein erfahrener Diplomat aus Holland. „Für die EU ist der Einsatz hier sehr positiv. Brüssel hat so etwas vorher nie gemacht und übernimmt jetzt mehr außenpolitische Verantwortung.“ Derzeit wird über die Verlängerung des AMM-Mandats gesprochen, das Ende März ausläuft.

Gam, vor kurzem noch brutal gejagt, hat nun ein Büro. Irwandi Yusuf sitzt in einem Bürostuhl neben alten Sofas und einem dreckigen Tisch. Der Gam- Chef in Aceh gehört nicht zu den Männern, die das Sagen haben. Gam- Chef Hasan di Tiro und seine engsten Vertrauten dagegen blieben bislang im Exil in Schweden. Von dort kommandierten sie während des Krieges durch SMS die Rebellen. Danach befahlen sie, Waffen abzugeben. Wann die Gam-Spitze zurück nach Aceh kommt, weiß Irwandi nicht: „Der Frieden ist noch nicht gesichert. Schlüssel dazu ist Acehs Regierungsgesetz.“

Vorgesehen ist, in Aceh eine Art Selbstregierung zu ermöglichen. Der Helsinki- Vertrag gibt grobe Linien vor. Demnach soll Jakarta nur Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik sowie nationale Sicherheitsbelange von Jakarta regeln, zudem darf niemand an Indonesiens Grenzen und Religionsfreiheit rütteln. Den Ex-Rebellen wurde die Gründung einer Partei zugestanden, die nur in Aceh agiert. Bislang sind Lokalparteien in Indonesien verboten, nur das Nationalparlament kann das ändern. Dort hat Präsident Susilo Bambang Yudhoyono aber keine sichere Mehrheit. „Scheitert das Gesetz“, sagt Irwandi Yusuf, „scheitert der Friedensprozess.“

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