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Politik: Hoffnung macht Arbeit

DAS HARTZ–KONZEPT

Von Stephan-Andreas Casdorff

Es war im Französischen Dom am Gendarmenmarkt, und alles wurde zelebriert. Weihevoll waren die Reden, und durch die Halle wehte ein Hauch von Andacht. Der Ort und die Stunde, dem Anlass angemessen. Wirklich? Peter Hartz hat sein Konzept erläutert, genauer: das einer Kommission von parteiübergreifenden Experten, mit dem sie hoffen, die Arbeitslosigkeit zu verringern. Das lässt Schweiß und Tränen erwarten, eine nüchterne Beschreibung, klare Kante, harte Arbeit eben. Pathos passt da nicht. Wirklich nicht?

Der Blick in die Zeitungen zeigt es: Das Angebot an Stellen ist dramatisch eingebrochen. Firmen stellen nur noch ein, wenn es unbedingt nötig ist. Arbeitslosigkeit ist zur Geißel unserer Gesellschaft geworden, das sagen jetzt alle, über alle Parteigrenzen hinweg. Wenn das wahr ist – dann beginnt jetzt ein ernsthafter Versuch, sich von ihr zu befreien. Die Gewerkschaften haben mitgewirkt, die Arbeitgeber und die Arbeitsverwaltung. Und die Regierung ist gewillt, das, was an Zumutungen und Einschnitten und neuen Ideen in einer gemeinsamen Anstrengung erarbeitet worden ist, auch umzusetzen.

Was die detaillierten Vorschläge, die „Module“ der Hartz-Kommission so bedeutsam macht, ist das, was mitschwingt. Da geht es um eine tiefgehende, ja auch eine neue Definition von sozialer Demokratie. Ein Begriff wird modernisiert. Das hat Folgen. Der Arbeitslose wird zum Partner aufgewertet. Es wird Schluss gemacht mit der Vorstellung, dass jemand, der seinen Job verliert, sich schon zurechtfinden wird auf dem Arbeitsmarkt. Der Versuch, ihm zu helfen, beginnt am ersten Tag der Arbeitslosigkeit, Sozial- und Arbeitsämter helfen in Job-Centern gemeinsam. Die Vermittlung wird schneller gemacht, die Selbstständigkeit wird angeregt. Der Job-Floater kann sogar funktionieren, selbst wenn er den alten Lehren des britischen Ökonomen Keynes folgt, mit der Idee, Geld zu mobilisieren – das jetzt noch nötiger ist als vor der Flut –, um Arbeit im Osten zu finanzieren.

Ja, das Konzept hat Folgen. Dem Arbeitslosen wird Respekt entgegengebracht. Seinem Ich wird Mut gemacht. Es wurde sogar daran gedacht, den Zugang zu Betreuungs- und Therapieangeboten zu verbessern. Aber der Respekt drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass etwas von jedem einzelnen Arbeitslosen verlangt wird. Dass er seinen voll akzeptierten Anspruch auch verwirken kann; dass er Abstriche hinnehmen muss, wenn er Hilfe nicht wahrnimmt. Kurz: Wenn er kein Partner ist.

Die Abstriche sind nicht so groß, wie sie sein könnten und zunächst aussahen. Die Zumutungen für den Arbeitslosen halten sich in Grenzen. Der Arbeitsmarkt wird nicht mit, zum Beispiel, Billiglöhnen aufgebrochen, nicht revolutioniert. Das ist wahr. Aber auch der längste Weg beginnt mit einem ersten Schritt – jetzt. Gerade jetzt, weil in Phasen der konjunkturellen Baisse reformiert werden muss. Nie werden Einsicht und Bereitschaft größer sein. In besseren Zeiten sind erstens Einschnitte nicht zu vermitteln, zweitens täuscht dann die konjunkturell bedingte Verringerung der Arbeitslosigkeit über die Dringlichkeit der benötigten Reformen hinweg. Krisenzeiten sind Reformzeiten. Mit Hartz ist die Vision des Abbaus der Massenarbeitslosigkeit keine Halluzination mehr.

Was es deshalb nicht geben darf, ist ritualisiertes Verhalten, ist hohles Pathos. Nur weil dieses Konzept Einzelnen, in der Wirtschaft und der Union, nicht weit genug geht, darf es nicht schon ganz verdammt werden. Wem dieses Konzept zu weit geht, in den Gewerkschaften und bei der SPD, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, wenn nicht elitär, so doch unsolidarisch zu sein. Und die Arbeitslosen sollten den Dom als Ort richtig deuten: Sie sind gebeten – und verpflichtet, mitzuwirken. Nur weil Wahlkampf ist, dürfen die Chancen auf Fortschritte nicht hintangestellt werden. Der erste Schritt ist möglich, ohne zu wissen, wo der letzte endet. Die Geißel der Arbeitslosigkeit wird diesen Wahlkampf ganz sicher und die nächste Legislaturperiode wahrscheinlich überdauern. Arbeitslosigkeit ist überparteilich. Und das Konzept kann allen dienen – nach der Wahl. Wer sich jetzt gegen die Hoffnung stellt, macht den politischen Konkurrenten erst stark. Denn Hoffnung muss man machen.

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