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Hongkong: In den Klauen des Drachen

Vor 15 Jahren ging die britische Kronkolonie Hongkong an China zurück – eine Bilanz.

Am Sonntag könnte eine neue Macht überraschend großen Einfluss auf Hongkong gewinnen, zumindest für einige Stunden. Der Tropensturm Doksuri wird in der 7,1 Millionen Einwohner großen Stadt erwartet, er ist ein Taifun der Stärke acht und er könnte der Volksrepublik China einen Strich durch die Rechnung beim Festprogramm am 1. Juli machen: An diesem Sonntag jährt sich die Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong an China zum 15. Mal. Aus diesem Anlass weilt der chinesische Staatspräsident Hu Jintao bereits seit Freitag in Hongkong und die Bürgerliche Front für Menschenrechte plant eine Demonstration für mehr demokratische Rechte. Hongkongs Demokraten und ihre Sympathisanten marschierten seit 1997 an jedem 1. Juli durch Hongkong Island, doch ihre Anliegen sind aktueller als je zuvor.

Wie mit Großbritannien vereinbart, hat Peking zwar ein eigenes Grundgesetz erlassen, das Hongkong größere Rechte zum Beispiel bei Meinungs- und Versammlungsfreiheit zusichert. Trotzdem nimmt der Einfluss Festlandchinas auf die Stadt, die nach New York und London als drittgrößtes Finanzzentrum der Welt gilt, mit jedem Jahr zu. Kulturell, wirtschaftlich und politisch.

Das hat zum Beispiel im Februar die Wahl des neuen Verwaltungschefs Leung Chun-ying gezeigt. Er galt lange als Nummer zwei im Rennen um das wichtigste politische Amt der Stadt, doch als China ihn nach einigen Skandalen zum Favoriten erkor, wurde der Polizistensohn prompt von der überwiegend pekingfreundlichen Wahlkommission gewählt. Ein allgemeines Wahlrecht gibt es noch nicht in Hongkong, es ist bislang für 2017 beziehungsweise 2020 geplant.

Beispielhaft zeigen auch die Ereignisse bei der „South China Morning Post“ den wachsenden Einfluss Chinas. Die englischsprachige Zeitung galt früher als Hort exzellenter, kritischer Berichterstattung, doch seit dem Kauf durch den malaysischen Tycoon Robert Kuok wird die Zeitung Peking gegenüber unkritischer. Den jüngsten Beweis lieferte der von der staatlich zensierten chinesischen Zeitung „China Daily“ gekommene Chefredakteur Wang Xiangwei, als er eine längere Geschichte über den zweifelhaften Selbstmord des blinden und fast tauben Dissidenten Li Wangyang zunächst auf eine Kurzmeldung herunterkürzen ließ. Eine skandalöse Fehleinschätzung, in Hongkong gehen seitdem Tausende Menschen auf die Straße, um für eine Überprüfung des rätselhaften Todesfalls in Festlandchina zu demonstrieren. „Unter Wangs Führung hat die Zeitung ihre Glaubwürdigkeit in Hongkong und der internationalen Leserschaft verloren und muss nun oft den Spott der lokalen chinesischen Presse ertragen“, schreibt der preisgekrönte Journalist Paul Mooney, dessen Vertrag unter Wang Xiangwei nicht verlängert worden ist.

Zwar profitiert Hongkong von den Geschäften mit den neureichen Festlandschinesen, doch die Zuwanderung sorgt auch für Spannungen. Vor allem der Geburtstourismus bereitet Sorgen. Rund ein Drittel aller Hongkonger Neugeborenen werden von Festlandmüttern zur Welt gebracht, die sich davon einen Hongkonger Pass für ihr Kind, einen Ausweg aus der Ein-Kind-Politik oder einfach nur bessere medizinische Betreuung versprechen. Und schließlich konkurriert Hongkong mit Festlandchina auch um den Titel als chinesisches Finanzzentrum Nummer eins. Die Führung in Peking will Schanghai als Wirtschaftszentrum weiter ausbauen. Doch noch ist Hongkong dem Festland einen großen Schritt voraus.

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