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Dieses Foto zeigt, wie der Demonstrant im Dunkeln von Polizisten misshandelt wird.

© AFP

Hongkong: Video: Polizisten misshandeln gefesselten Studenten

Ein Video zeigt wie Polizisten in Hongkong einen gefesselten Demonstranten vier Minuten lang zusammenschlagen. Sehen Sie hier das Video. Unterdessen ärgert sich die Bevölkerung zusehends über die Studenten.

Auf einem vom TV-Sender TVB veröffentlichten Video ist zu sehen, wie ein Polizist in Hongkong einen gefesselten Demonstranten schlägt, der in einer dunklen Ecke eines Parks am Boden liegt. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Drei weitere Beamte treten den Mann mehrfach. Dem Sender zufolge dauert der Angriff vier Minuten. Der Demonstrant gehört offenbar der Demokratiegruppe Civic Party an. Die Organisation schaltete einen Anwalt ein. Studentenführer Joshua Wong sagte, die Polizei habe nun jegliches Vertrauen verspielt.
Die Polizei in Hongkong hatte am Mittwochmorgen erneut gewaltsam einen Protestort der Demokratiebewegung geräumt und dutzende Demonstranten festgenommen. Mit Schlagstöcken bewaffnet rückten die Beamten auf eine von den Protestierenden besetzte Hauptstraße nahe der Stadtverwaltung vor und räumten neu errichtete Barrikaden ab. Es gab Verletzte auf beiden Seiten, wie ein AFP-Reporter berichtete. Nach Angaben der Polizei wurden mindestens 45 Menschen festgenommen.

Wegen der mutmaßlichen Misshandlung des wehrlosen Demonstranten wird jetzt gegen mehrere Polizisten in Hongkong ermittelt. Die Beamten seien von ihren derzeitigen Aufgaben entbunden worden, sagte der Sicherheitschef der chinesischen Sonderverwaltungszone, Lai Tung Kwok, am Mittwoch. Er versprach eine "genaue und faire Untersuchung" des Vorfalls. Gegen wieviele Polizisten sich der Verdacht richtet, wurde zunächst nicht bekannt.

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Chaotische Szenen

Chaotische Szenen spielten sich im Morgengrauen an der Lung Wo Straße ab: Mit Fäusten und Schlagstöcken gingen die Beamten gegen die Menge vor und setzten Pfefferspray gegen jene ein, die sich weigerten, die Straße zu räumen. "Sie haben das Pfefferspray ohne jede Vorwarnung eingesetzt", sagte der 18-jährige Student Ben Ng. "Demonstranten wurden von der Polizei geschlagen." Binnen einer Stunde brachte die Polizei die viel befahrene Hauptstraße wieder unter Kontrolle. In einer Erklärung hieß es, die Beamten hätten die Demonstranten zur Ruhe und Zurückhaltung aufgefordert. Sie seien gewarnt worden, dass es "kein friedlicher Akt" sei, Polizeiabsperrungen zu missachten, "auch nicht mit erhobenen Armen".
Die Polizei ging bei ihrem Einsatz offenbar auch gewaltsam gegen Journalisten vor. Der Online-Reporter Daniel Cheung sagte AFP, er sei von mehreren Polizisten festgehalten und geschlagen worden. "Ich habe versucht, ihnen zu sagen, dass ich ein Reporter bin, aber sie haben mir nicht zugehört", sagte er. Demnach erlitt er Schnittwunden und Verletzungen an Nacken und Rücken. Erst als es ihm später gelang, seinen Presseausweis zu zeigen, sei er freigelassen worden.
Protestierende sagten der Nachrichtenagentur AFP, die Blockade sei als Vergeltung für die Räumung eines anderen Protestortes durch die Polizei geplant gewesen. Die Demokratiebewegung fordert die Änderung einer von Peking beschlossenen Wahlreform für Hongkong. Diese sieht vor, dass die Bürger Hongkongs im Jahr 2017 erstmals direkt einen Verwaltungschef wählen, die chinesische Staatsführung jedoch die Kandidaten vorab auswählt.
Die Proteste dauern mittlerweile seit mehreren Wochen an. Die Zusammenstöße vom Mittwoch gehörten zu den gewaltsamsten seit Ende September, als die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen war. Seit dem Beginn der Proteste wurden weder aus Peking noch von der Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone Zugeständnisse gemacht.

Die Bevölkerung ärgert sich über die Studenten

Die breite Bevölkerung zeigt sich zunehmend verärgert über den zivilen Ungehorsam, der Handel, Geschäfte und Tourismus störe. Peking bleibt nichts anderes zu tun, als aus der Distanz zu beobachten, wie die Protestbewegung in der Gunst der Bevölkerung sinkt. Vereinzelt versuchten Maskierte die Barrikaden der "Occupy Central"-Demokratiebewegung zu zerstören. Immer wieder kommt es zu gehässigen Wortgefechten zwischen Belagerern und Anwohnern, die wegen Blockaden um ihre Lebensgrundlage bangen. Der amtierende Regierungschef Leung Chun Ying gibt sich kompromisslos. Das Protestlager habe "praktisch null Chancen", dass Peking einlenke. Bezeichnend für die Meinung vieler älterer Hongkonger sagt auch die Hausfrau Amanda Hui, 48, "auch wenn ganz Hongkong protestiert, Peking würde seine Meinung noch immer nicht ändern." Hui ist überzeugt, dass die Störaktionen Hongkongs breite Bevölkerung gegen die Demonstranten aufbringen.

Zunehmende Zweifel bei den Demonstranten

Auch innerhalb der Demokratiebewegung wachsen Zweifel. Der 17-jährige Joshua Wong, einer der Protestführer, fragte unlängst ungläubig, weshalb ältere Hongkonger mit Geld und Reichtum nicht an Demokratie interessiert seien. Wong verbringt jede Nacht auf der Straße. Er schläft auf einer dünnen Matte, neben sich das Megaphon und Brille, während die sich lichtenden Reihen seiner Mitstreiter eine zunehmend aggressive Strategie verfolgen, um nicht zu kapitulieren, ohne von Peking das geringste Zugeständnis erreicht zu haben.

Studenten fürchten die Konkurrenz aus China

Den Studenten geht es bei ihrem Protest auch nicht allein um Politik und demokratische Ideale, sondern ebenso sehr um realwirtschaftliche Überlegungen. Auch wenn Peking sein mit den kolonialen Briten ausgehandeltes Versprechen gebrochen hat, wonach Hongkongs Regierungschef im Jahr 2017 entgegen früheren Abmachungen ein Kandidat Pekings zu sein hat: Menschen in der Sonderverwaltungszone haben konkretere Sorgen als politische. Wohnraum ist praktisch unerschwinglich geworden, der Arbeitsmarkt ist übersättigt und Aufstiegsmobilität wird zunehmend von einer Peking-nahen Elite ausgehebelt, die Schlüsselpositionen besetzt. Der Druck von Festland-China auf die Sonderverwaltungszone wächst. Junge Hongkonger fürchten um die einstigen Privilegien des Territoriums. Heute haben sie mit Chinesen um Bildung, Jobs und Wohnungen zu konkurrieren. Es wird in Hongkong immer schwieriger, an guten Universitäten einen Studienplatz zu erhalten, weil sich eine Flut von hervorragend geschulten Chinesen um die gleichen Plätze bewirbt. Zuwanderer vom Festland machen bereits mehr als die Hälfte von Hongkongs Studenten aus. Dass diese zudem Mandarin-Chinesisch und nicht das in Hongkong gebräuchliche Kantonesisch sprechen, erweist sich als weiterer Vorteil für die Neuankömmlinge, zumal Handel und Geschäfte mit China vorab auf Mandarin abgewickelt werden.

Generationskonflikt

Dabei kristallisiert sich zunehmend ein Generationskonflikt heraus. Junge Hongkonger kämpfen für Freiheit und Demokratie. Viele ihrer Eltern dagegen sind überzeugt, die jungen Menschen gefährden mit den Protesten ihre eigene Zukunft. Hongkongs ältere Generation bleibt dabei geprägt von der Tiananmen-Erfahrung und einem China, das noch immer auf seiner Autorität beharrte. Jüngere Menschen dagegen erinnern sich an die Jahre 2003 und 2012, als Peking unter dem Druck von Massenprotesten von einem Sicherheits- und einem "patriotischen" Schulgesetz zurückgekrebst war, das Hongkonger Schulkindern Vaterlandsliebe einpauken sollte. Einer jüngsten Umfrage der Universität Hongkong zufolge haben bloß elf Prozent der 18- bis 29-Jährigen Vertrauen in Hongkongs "Ein Land, zwei Systeme"-Prinzip. Dagegen sind mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen zufrieden mit diesem System. Dieser Generationskonflikt führt zum Bruch von Familien. Er könne mit seinen Eltern nicht über Politik sprechen, sagt der 26-jährige Aktivist Trevor Yeung. "Sie sind politisch nicht aktiv. Doch ich kann nicht einfach zuhause sitzen und nach draußen starren. Ich muss mitmachen. Ich will helfen." (mit AFP)

Daniel Kestenholz

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