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Ein Herz und eine Seele: Horst Seehofer und Angela Merkel zeigen sich bei der ersten Fraktionssitzung in Berlin demonstrativ einträchtig. Foto: Reuters

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Horst Seehofer und die Grünen: Bloß keinen verprellen

Erst will CSU-Chef Horst Seehofer nichts von Gesprächen mit den Grünen wissen. Dann macht er es vom Personal abhängig – und die Kanzlerin lässt erst gar keine Präferenz erkennen.

Dass es beim ersten Berlin-Auftritt von Horst Seehofer nach der Wahl nicht ohne Kraftmeierei abgehen würde, war jedem in der Union klar. So ließ der Wahlsieger aus Bayern den Tag der Koalitionsspekulationen schon vor seiner Ankunft mit einer Klarstellung beginnen. Verhandlungen mit den Grünen seien tabu, gab der CSU-Chef seiner Schwesterpartei via „Spiegel“ zu verstehen. „Ich werde solche Gespräche jedenfalls nicht führen“, sagte Seehofer. Und fügte hinzu: „Damit hat sich das.“

Natürlich hatte sich gar nichts. Die beiden CDU-Vizes Armin Laschet und Julia Klöckner warben mit Umweltminister Peter Altmaier munter weiter für Offenheit gegenüber Schwarz-Grün. Unions-Interpreten verwiesen darauf, dass sich Seehofer ja nur gegen Koalitionsverhandlungen, nicht aber gegen Sondierungsgespräche gewandt habe. Und selbst die CSU- Statthalterin in Berlin warnte vor der Festlegung auf die SPD als einzig denkbaren Partner. Das Ziel sei eine stabile Regierung, sagte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Da sei es sinnvoll, sich nichts zu verbauen – und erst mal abzuwarten, wie sich die Grünen sortierten.

Am Ende behielten die Protagonisten mit Seehofer-Erfahrung recht. Was sich morgens noch wie ein ernsthafter Konflikt anhörte, war am Nachmittag schon keiner mehr. Hasselfeldt wurde eindrucksvoll mit 53 von 54 Stimmen als Vorsitzende der kräftig gewachsenen CSU-Landesgruppe bestätigt. Seehofer bescheinigte der 63-Jährigen, die Abgeordnetentruppe „hervorragend geführt und vor allem zusammengeführt“ zu haben. Und bei dieser Gelegenheit relativierte er dann auch gleich seine Basta-Botschaft vom frühen Morgen.

Nur nicht mit Trittin

Im CSU-Vorstand gebe es „eine Präferenz für eine große Koalition“, sagte der Vorsitzende nach seiner Begegnung mit den Berliner CSU-Abgeordneten nur noch. Was man nicht wolle, sei, „mit den Spitzenleuten der Grünen, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben, in ein Gespräch eintreten“. Man warte nun ab, wie sich die Partei entwickle und „welche Prozesse dort stattfinden“. Gut möglich also, dass sich Seehofers Verweigerung mit der zeitgleich erfolgten Rücktrittsankündigung von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bereits erledigt hat.

Vielleicht war ihm zwischenzeitlich ja gedämmert (oder auch klargemacht worden), dass es nicht gerade klug ist, sich von vornherein an die SPD zu ketten und alles von ihren Bedingungen abhängig zu machen. Zwischen ihm und der Kanzlerin, so versicherte Seehofer, sei „jeder Schritt abgesprochen“. Angela Merkels Kontaktaufnahme mit SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag etwa sei in Absprache mit ihm erfolgt. Doch anders als der CSU-Chef hatte sich die Kanzlerin in der Fraktion gehütet, eine Präferenz für eine bestimmte Koalition zu erkennen zu geben.

Die Grünen fanden Seehofers Einlassungen jedenfalls nicht lustig. Anton Hofreiter, der nach Trittins Abgang nun für den Fraktionsvorsitz kandidieren will, nannte das Verhalten des CSU-Chefs „sehr sehr schwierig“. Und Grünen-Realo Boris Palmer stänkerte, die SPD solle doch zur Bedingung machen, mit der CDU allein regieren zu dürfen. Die CSU-Abgeordneten würden für eine große Koalition schließlich gar nicht gebraucht.

Wahlversprechen als "Kompass"

Inhaltlich blieb Seehofer am Dienstag zurückhaltend – er ließ auch das Reizthema Pkw-Maut erst mal außen vor. Allerdings betonte er, dass der Bayernplan der CSU neben dem gemeinsamen Wahlprogramm der Union sein „Kompass“ für Koalitionsverhandlungen bleibe. Darin findet sich die Forderung nach einer Autobahn-Maut „für Reisende aus dem Ausland“ ebenso wie die nach Länderautonomie bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer. Beides lehnt die CDU ab.

Er habe seinen Bürgern zugesagt, alle seine Wahlversprechen in Koalitionsverhandlungen „nachdrücklich“ zu vertreten, betonte Seehofer. Das Ergebnis vom Sonntag eröffne die Möglichkeit, in Berlin „mit starker bayerischer Stimme zu agieren“. Stark ist seine Landesgruppe in Berlin tatsächlich geworden: Die Zahl der CSU-Abgeordneten im Bundestag hat sich von 44 auf 56 erhöht – 45 davon sind direkt gewählt, mit Ergebnissen von teilweise mehr als 50 Prozent. Und der Frauenanteil liege inzwischen bei einem Viertel, betonte Hasselfeldt. Damit übertreffe man inzwischen sogar die Gesamtfraktion. Diese hat im Parlament nun 311 Sitze. Das sind 72 mehr als in der vergangenen Legislatur. Nur ein einziges Mal war sie in der Geschichte der Bundesrepublik stärker - nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990.

Als Landesgruppenchefin ist Hasselfeldt automatisch auch Vizevorsitzende der Unionsfraktion. Zum Fraktionschef wurde wieder Volker Kauder (CDU) gewählt. Der 64-Jährige kam mit 294 Ja- Stimmen auf 97,4 Prozent – das bisher beste Ergebnis für den einstigen Generalsekretär, der die Fraktion seit 2005 führt. Und so souverän, wie er gewählt wurde, beschied er auch den auf flotte Festlegung drängenden Seehofer. Jetzt gelte es, „in aller Ruhe und Gelassenheit“ abzuwarten, sagte Kauder. Bei den Grünen sei momentan „ja niemand mehr da, der ein Gespräch führen könnte“.

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