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Irak

© dpa

Humanitäre Krise: Hilferufe aus Bagdad

Internationale Organisationen fordern mehr deutsches Engagement - die Opposition ebenfalls.

Berlin - Während Deutschland noch mitten in einer Debatte über die Ausweitung seiner Hilfe für Afghanistan steckt, wächst nun auch der Druck auf Berlin, sich stärker im Irak zu engagieren. „Es ist besonders wichtig, dass Geber aus Ländern, die keine Truppen dort haben, wie Belgien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Schweden und die Schweiz, sich bereit erklären, ihre humanitäre Hilfe erhöhen“, heißt es in einem Bericht der Organisation Oxfam, der am Montag in Amman vorgestellt wurde. Der Grund: Viele Hilfswerke nehmen kein Geld aus den USA oder Großbritannien, weil sie fürchten, damit als Verbündete der Kriegsparteien angesehen zu werden. Und das würde ihre Mitarbeiter zum Freiwild für Aufständische und Terroristen machen.

Oxfam spricht für insgesamt 280 internationale und lokale Hilfswerke, die auf ausländische Unterstützung angewiesen sind. Die Not, mit der sie im Irak konfrontiert werden, ist weit größer als im Ausland bisher bekannt. Insgesamt acht Millionen der rund 23 Millionen Iraker seien dringend auf Hilfe angewiesen. Mehr als 40 Prozent lebten in absoluter Armut, vor allem weil es durch den Bürgerkrieg kaum noch Arbeit im Land gebe. Es fehle an den elementarsten Dingen, wie Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Besonders die Lage der Kinder habe sich dramatisch verschlechtert. Waren 2003, zu Beginn des Irakkrieges, noch 19 Prozent aller Kinder unterernährt, sind es heute 28 Prozent. Etwa 800 000 Kinder gehen Schätzungen zufolge derzeit nicht zur Schule, 2004 waren es 600 000.

Der irakischen Regierung in Bagdad und den USA werfen die Hilfsorganisationen vor, nicht angemessen auf den „täglichen Überlebenskampf“ der Menschen zu reagieren.

Die deutsche Hilfe beschränkt sich angesichts der katastrophalen Sicherheitslage bisher vor allem darauf, irakische Verwaltungsbeamte, Polizisten und Soldaten auszubilden. Aus dem Etat des Auswärtigen Amtes werden zusätzlich 3,1 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt, der größte Teil geht an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und das Internationale Rote Kreuz, das ebenfalls Flüchtlinge im Irak und den Nachbarstaaten betreut.

Nicht nur den Hilfswerken ist das zu wenig. Auch in der deutschen Opposition werden Forderungen nach einer Ausweitung der deutschen Hilfe laut. Der aktuelle Lagebericht sei alarmierend, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth dem Tagesspiegel. „Jenseits der Haltung zum Irakkrieg stellt sich für die UN, die EU und auch für Deutschland die Aufgabe, einen Beitrag zu Linderung der Not zu leisten.“ Roth regt eine internationale Geberkonferenz für den Irak an.

Die Grünen-Politikerin sieht aber vor allem ein Defizit bei der Flüchtlingshilfe. Hier wirft sie der Bundesregierung schwere Versäumnisse vor: „Deutschland hat das Problem während der EU-Ratspräsidentschaft vernachlässigt“, sagte Roth. Die Bundesrepublik sei zudem das einzige Land, das irakischen Flüchtlingen derzeit den Flüchtlingsstatus aberkenne. „Angesichts der Lage im Irak ist das absolut nicht nachvollziehbar.“ Roth war im Juli selbst im Irak unterwegs, besuchte den relativ ruhigen Norden. Allein dort lebten 200 000 Vertriebene aus anderen Teilen des Irak, berichtet sie. Insgesamt sind rund vier Millionen Iraker vor der andauernden Gewalt in sichere Landesteile oder ins Ausland geflohen. Deutschland müsse deutlich mehr Geld für den UNHCR und die Aufnahmeländer der Flüchtlinge zur Verfügung stellen, fordert Roth. Außerdem sollte die EU mehr Flüchtlinge einreisen lassen.

Einen Ansatz für die Hilfe im Land selbst sieht Roth vor allem in den Kurdengebieten. Dort sei die Lage stabil genug, um auch deutsche Fachkräfte einzusetzen. „Mit unserer Unterstützung könnte Kurdistan zu einem Stabilitätsanker für den Rest des Landes werden.“

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