zum Hauptinhalt
Die Protestwelle von bayerischen Asylbewerbern hat nun die Landeshauptstadt München erreicht.

© dpa

Asylbewerber protestieren in München: Hungerstreikgebiet, bitte nicht betreten

Mitten in der Münchner Innenstadt haben die protestierenden Asylbewerber nun ihr Camp aufgeschlagen und verweigern Essen und Trinken. Die Stimmung wird immer gereizter.

Mittags gegen 12 Uhr ist wieder einer zusammengebrochen. Sanitäter bringen den bewusstlosen Mann auf eine Krankenbahre. Regungslos liegt er da, er ist jung, schwarzes Haar, Schnurrbart. Ab in die Klinik. Seit dem vergangenen Samstag hat er nichts mehr gegessen und drei Tage darauf mit dem Trinken aufgehört. Im Krankenhaus wird er Wasser und Zucker erhalten, und sobald er wieder auf den Beinen ist, kehrt er zurück in diese kleine Zeltanlage am Münchner Rindermarkt, mitten in der Stadt und nahe des Marienplatzes. An die 20 Mal ist das in den vergangenen Tagen so geschehen mit Männern aus dem Camp.

Die Protestwelle von bayerischen Asylbewerbern hat nun die Landeshauptstadt München erreicht. Ihre Zeltanlage wird nicht geräumt, sondern als Demonstration geduldet. „Es geht jetzt um humanitäre Hilfe“, sagt ein Polizeisprecher. Krankenwagen umringen das Zeltdorf, in dem sich etwa 50 Personen aufhalten, darunter eine Frau. Sie sind im Hunger- und im Durststreik und erheben die Maximalforderung: „Wir verlangen für alle die Asyl-Anerkennung nach Artikel 16 des Grundgesetzes“, sagt Ashkan Khorasani, ein Iraner, der als eine Art Sprecher fungiert.

Streiken für das große Asyl

Das ist das große Asyl, das Asyl erster Klasse. „Deutschland ist mitverantwortlich für die Kriege in unseren Ländern“, meint Khorasani, „deshalb haben wir einen Anspruch auf Schutz.“ Nicht so sehr von Bedeutung sind für ihn die Härten des speziell bayerischen Umgangs mit Flüchtlingen: Massenunterkünfte, keine Aufenthalte außerhalb des jeweiligen Landkreises, ungeliebte Essenspakete. 

In Würzburg haben viele von ihnen im vergangenen Jahr schon monatelang in einem Zelt campiert und teilweise die Nahrungsaufnahme verweigert. Die Bilder der beiden Männer mit den zugenähten Mündern sind durch Deutschland gegangen. Dann sind sie aufgebrochen zu einem langen Marsch nach Berlin, um in der Bundeshauptstadt für ihre Anliegen zu kämpfen. Dort wurden sie über viele Monate hinweg hin- und hergeschoben. In Berlin-Kreuzberg organisierten die Flüchtlinge ein politisches Camp, das auch in Zukunft bleiben wird. In München ging das stetige Hin und Her weiter.

Viele deutsche Helfer aus Asylgruppen umstellen die Zelte zum Schutz, an den Absperrbändern steht: „Hunger strike area, please do not enter“ – Hungerstreikgebiet, bitte nicht betreten“. Aus dem Iran kommen die Menschen und aus Pakistan, aus Äthiopien, Syrien und Afghanistan. Sie wollen für sich sein, wollen nicht, dass man dieses Lager betritt. Keine Fragen, keine Besuche, keine Gespräche. „Jetzt ist es einfach genug“, sagt Khorasani. Die meisten von ihnen sind jetzt aus anderen bayerischen Gegenden gekommen, manche auch aus Berlin und Düsseldorf.

Gereizte Stimmung

Die Stimmung ist gereizt. Man sieht von außen, wie die Männer in Schlafsäcken auf Holzpaletten liegen. Man sieht, wie sie sich hinter den Plastikplanen versammeln, während nebenan am Brunnen des Rindermarktes das Wasser die Stufen hinabfließt und Passanten mit ihren Einkäufen aus den Geschäften kommen. Ein Mann mit Rasta-Locken fängt an zu brüllen, er beschimpft die Leute, die sich vor der Absperrung versammeln – Interessierte, Fotografen, Journalisten. Einige andere versuchen, ihn zu beruhigen.

Viel Unmut hat Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) auf sich gezogen, als sie von „Erpressung“ gesprochen hatte. Ebenso äußerte sich Innenminister Joachim Hermann (CSU). Doch das Wort macht weiter die Runde. „Es hat schon etwas damit zu tun“, sagt etwa der Münchner CSU-Stadtrat Marian Offman, der zum Zelt gekommen ist. „Aber man muss auch die schlimmen Schicksale der Menschen sehen.“ Offman gehört der Israelitischen Kultusgemeinde an und gilt als Liberaler in der CSU. Über Haderthauer meint er: „Wäre ich Sozialminister, dann wäre ich schon ein paar Mal hier gewesen.“ Die Ministerin aus Ingolstadt allerdings hat bisher nur Abgesandte geschickt. 

Ude: Hungerstreik ist ein Signal der Verzweifelten

Hingegen kommt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, SPD-Herausforderer für die Landtagswahl, persönlich. „Der Hungerstreik ist das Signal verzweifelter Menschen“, ist seine Sicht. Dennoch könne man bei der Asyl-Forderung nicht nachgeben: „Der Staat kann sich seine Entscheidungen nicht von protestierenden Gruppen aufzwingen lassen.“ Immer wieder wird an der Zeltanlage darüber geredet, dass auch mal ein Asylbewerber sterben könnte – verdursten oder sich das Leben nehmen.

Um das Camp herum kommt es zu hitzigen Diskussionen. „Die haben doch Essen und eine Unterkunft“, sagt eine ältere Frau. „Wir brauchen die nicht“, schimpft ein Mann in einem Antiquitätenladen. Andere Passanten bringen Spenden vorbei, Wundpflaster etwa und Kuscheltiere.

Welch ein Unterschied im Vergleich zur Stimmung in Würzburg und auf dem Asylmarsch nach Berlin. Dort waren die Flüchtlinge aufgeschlossen und manchmal auch fröhlich. Sie haben sich über Besuch gefreut, wollten reden über sich, es gab Umarmungen. Nun sind sie eine abgeschlossene, schweigende und hungernde Gruppe, die unter Ausschluss von Besuchern über die verschiedenen Möglichkeiten der Selbstbeschädigung diskutiert.

Ude geht mit dem Oberbayern-Bezirkstagspräsidenten Christoph Hillenbrand (CSU) in ein Malteser-Zelt, um mit dem Sprecher Khorasani zu verhandeln. Heraus kommt nichts, natürlich ist die Forderung nach sofortigem politischem Asyl für alle nicht diskutierbar. „Er ist ein freundlicher und höflicher junger Mann“, sagt Ude über den Sprecher, dann geht er Richtung Rathaus, um sich mit seinen Mitarbeitern zu beraten. Die Asyl-Camper wird er wohl für einige Zeit in seiner Stadt behalten müssen. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false